XBox Review: Project Blue im Test

Auch wenn das Nintendo Entertainment System inzwischen stolze 40 Jahre auf dem Buckel hat und längst durch zahlreiche Generationen mächtigerer Hardware ersetzt wurde, gibt es doch noch immer Entwicklerinnen und Entwickler, die die 8Bit-Konsole mit frischen (Indie)Titeln versorgen. Um diese Spiele wiederum einem etwas größeren Publikum jenseits der Hardcore-Retro-Szene zugänglich zum machen, hat sich Publisher 8Bit Legit darauf spezialisiert, eben diese für aktuellere Systeme wie XBox oder Switch zu portieren. Auch für Project Blue, der neuesten NES-Portierung des Publishers, wurde ich freundlicherweise mit einem XBox-Review-Code bedacht, doch anders als das zuletzt getestete NEScape!, das das halbwegs zeitgenössische Escaperoom-Genre auf die alte Konsole transportierte, sind die spielerischen Wurzeln der blauen Unternehmung sehr viel deutlicher in der Vergangenheit zu suchen.

Project Blue (Xbox)

Die Cyberpunk-Anleihen, auf die das Spiel mit einigem Stolz verweist, können dabei getrost ignoriert werden, sind sie doch kaum mehr als fadenscheiniger thematischer Überbau für ein schnörkelloses Jump’n’Run mit weitestgehend traditioneller Mechanik. Zwar kann Protagonist Blue, der versucht, als Proband gentechnischer Experimente aus dem Unternehmenskomplex des Riesenkonzerns Omnicorp zu entfliehen, einzelne Schüsse nach links oder rechts abfeuern und ist damit Capcoms Megaman nicht ganz unähnlich, durch den Verzicht auf Scrolling zugunsten einer Aufteilung der Umgebung auf 256 einzelne, bildschirmgroße Räume erinnert das Spiel aber auch an ältere, britische Computerspiele wie etwa die Monty Mole Reihe. Als großer Freund von Single-Screen-Titeln kann ich diese heutzutage eher selten anzutreffende Designentscheidung nur begrüßen, zumal es das zwei-Mann-Team hinter Projekt Blue geschafft hat, jeden dieser Räume mit durchaus gelungenen, individuellen Herausforderungen zu entwerfen. Sind die Kammern zunächst streng linear  gestaltet, öffnet sich der Levelaufbau später auch etwas, so dass sich Aufgaben über mehrere Bildschirme erstrecken. Dabei ist oft beobachtendes und gezieltes Vorgehen mindestens genauso wichtig wie schnelle Reflexe, denn auch, wenn sich die Feinde in Form von Wachdroiden in simplen Mustern bewegen, sind sie doch häufig so positioniert, dass sich sich gegenseitig Deckung geben oder direkt unzerstörbar sind. Dazu gesellen sich einige Powerups und allerlei vertraute Hindernisse des Genres wie Selbstschussanlagen, Laserbarrieren, Stacheln, sich bewegende Kreissägen und gelegentliche Bossgegner. Mitunter muss auch mal ein Trampolin verschoben, ein Fallschirm genutzt oder ein Schalter betätigt werden, um den Weg zur nächsten Passage zu öffnen, doch weitestgehend hält sich Project Blue an bekannte und bewährte Zutaten klassischer Hüpfspiele. Als nette Dreingabe verändert sich jedoch das Layout leicht in den drei verfügbaren Schwierigkeitsgraden, indem beispielsweise ein durchgehend fester Untergrund in der „normalen“ Stufe einigen Säuregruben weichen muss, wenn man sich an der als Brutal betitelten Herausforderung versucht. Das soll aber nicht heißen, dass der Titel im einfachsten Modus ein Spaziergang ist, ganz im Gegenteil. Oft scheint es auf den ersten Blick unmöglich, einen Abschnitt unbeschadet zu überstehen, doch mit der richtigen Idee und korrektem Timing lassen sich diese Widrigkeiten überwinden, wobei das wiederum Angesichts der etwas diffizilen Steuerung leichter gesagt als getan ist: Vor allem der extrem hohe Sprung, der erst aus dem Lauf heraus sein oft benötigtes Maximum erreicht, fühlt sich etwas schwammig und „floaty“ an, insbesondere bei der Steuerung mit einem XBox-Controller. Damit einher geht auch eine gewisse Schwierigkeit, bei Schüssen aus dem Sprung heraus den korrekten Zeitpunkt auszumachen, um nicht das Ziel zu verfehlen. Im Großen und Ganzen tut dieses Projekt Blue keinen Abbruch, dennoch kann es in Sachen Präzision nicht ganz mit Spitzentiteln auf dem NES mithalten. Gleiches gilt auch für die Präsentation, die irgendwo zwischen „durchschnittlich“ und „ganz nett“ angesiedelt ist. Zumindest die Hintergründe werten den Titel dank geschicktem Spiel mit Farbgebung und Schattierungen visuell auf und verleihen ihm mit Monitoren, Röhren und Kabeln dann doch etwas Cyber-Flair. Dezente Palettenwechsel bringen darüber hinaus etwas Dynamik in das Setting und verhindern gleichzeitig, dass man allzu sehr abgelenkt wird, dennoch hätte die Umgebung etwas mehr Leben zum Beispiel in Form von flackernden Fernsehern oder animierten Flüssigkeitsoberflächen vertragen können. Die Gegner sind ebenfalls zwar nicht sonderlich innovativ, mit ihrem mechanischen Aussehen zumindest stimmungsvoll, auch wenn wenn man keine nähren Details ausmachen kann, während die Spielfigur kaum generischer sein könnte und als Pixel-Protagonisten-Blaupause jeglichen individuellen Scharm vermissen lässt. Musikalisch wird solide und abwechslungsreiche Chiptune-Kost geboten, ohne dass die Melodien dauerhaft im Gedächtnis bleiben, die wenigen Soundeffekte wirken dagegen etwas dünn.

Project Blue (Xbox)

Größter und für mich ausschlaggebenster Knackpunkt ist jedoch die Struktur der Portierung selber. Segnet Blue trotz einer kleinen Energieleiste, die den einen oder anderen Fehltritt verzeiht, das Zeitlich, wird er an den letzten, oft mehrere Räume zurückliegenden Checkpunkt versetzt bzw. muss bei Verlust aller Leben den Ausbruchsversuch am Anfang eines größeren Abschnitts neu beginnen. Neben der etwas merkwürdigen Entscheidung, beim Start von einem Rücksetzpunkt den Lebensbalken nicht komplett zu füllen, verfügt das Spiel leider weder über eine Speicherfunktion noch über ein Passwortsystem. Somit muss bei jedem Start von Projekt Blue auf der Xbox der Titel komplett von Anfang an neu in Angriff genommen werden! Zwar weckt dieses Vorgehen durchaus nostalgische Erinnerungen an Zeiten, in denen man sich wieder und wieder mit einem Stück Unterhaltungssoftware auseinandersetzten musste und so Mal um Mal besser wurde, doch ist mir meine Zeit dafür inzwischen ehrlich gesagt zu kostbar. Bei Nutzung eines Emulators zum Abspielen des Roms würden Save-States das Problem lösen, doch da Legit 8bit nach eigenen Aussagen die Spiele von Grund auf portiert (was auch eine Erklärung für die gut 800MB des Downloads sein dürften) fällt diese Option ebenfalls weg. Insgesamt finde ich die Anpassungen, die für die XBox-Version vorgenommen wurden, dieses Mal besonders enttäuschend: Während zugegebenermaßen etwas größere und prominentere Projekte wie die Disney Afternoon Collection, die gleich sechs klassische NES Spiele umfasst, Annehmlichkeiten wie eine Rückspulfunktion und diverse Designdokumente umfasst, stellt Project Blue auf der Microsoft-Konsole lediglich drei (zumindest optisch gut zum Hauptspiel passende) Bildschirmrahmen sowie das ansprechend gestaltete Handbuch bereit. Und während Käuferinnen und Käufer des Roms auf dem PC mit einem Leveleditor bedacht werden, der es erlaubt, eigene Projekt Blue Abschnitte zu gestalten und auszutauschen, geht die XBox-Kundschaft diesbezüglich leer aus.

Somit ist der Project Blue auf modifizierter, echter Hardware Beziehungsweise dem Computer vielleicht besser aufgehoben als auf modernen Konsolen. Das Spiel bietet zwar von Grund auf entwickelte,  „Nintendo“-schwere Hüpfspielunterhaltung und erfüllt damit routiniert eventuelle Erwartungshaltungen, muss sich in diesem Kontext aber auch mit einer schieren Menge an sowohl alten als auch neuen Jump’n’Runs messen, und hebt sich diesbezüglich nur schwerlich von der Masse ab. Man mag mir fehlende Authentizität vorwerfen und dass ich gar kein „echter“ Retro-Fan bin, doch ich für meinen Teil würde gerade auf der XBox Zugänglichkeit und aktuelle Annehmlichkeiten dem Novum der Portierung eines echten, neuen NES Spiels vorziehen.

Space Invaders zählt neben Pong und später Pacman sicherlich zu den unbestrittenen Meilensteinen der Videospielgeschichte und hat die frühe Entwicklung des Mediums maßgeblich geprägt. Der japanische Spielhallenautomat aus dem Jahr 1978 ist für eine Vielzahl an Anekdoten wie der zeitweisen Knappheit an 100-Yen Münzen verantwortlich und legte die Grundelemente des Shoot’em Up Genres. Doch anders als nachfolgende Titel wie beispielsweise Galaga, die sich noch immer hervorragend spielen lassen, wirkt das Ur-Space-Invaders heutzutage ehrlicherweise mit seinem recht statischen Ablauf, steifen Steuerung und monochromen Darstellung (die auf den Maschinen mit mechanischen Kniffen und kolorierten Klebefolien eingefärbt wurde) deutlich altbackener und zeigt zudem, welche große Fortschritte Spiele zur Anfangszeit der elektronischen Unterhaltung gemacht haben. Außerdem werden die ikonischen Pixel-Invasoren aus den Tiefen des Weltraums zwar noch immer oft in grafischen Designelementen von Hersteller Taito genutzt, treten spielerisch aber weit weniger häufig in Erscheinung als andere omnipräsente Firmen-Maskottchen wie eben Pacman oder gar Mario. Dementsprechend ist Space Invaders: Infinity Gene von 2011 tatsächlich einer der letzten Titel der ehrwürdigen Serie und selbst als solcher „nur“ für Mobiltelefone beziehungsweise als Download für die damalige Playstation 3 und Xbox 360 erschienen, wobei er sich zumindest in der Microsoft-Umgebung dank Abwärts-Kompatibilität auch auf Nachfolge-Generationen spielen lässt.

Space Invaders Infinity Gene

Doch auf den ersten Blick hat Space Invaders: Infinity Gene dabei nicht einmal eine Daseinsberechtigung in den Download-Stores der Konsolenhersteller: Das archaische Links-Recht-nur-ein-Schuss-auf-dem-Schirm-Spielprinzip ist zwar lediglich eine kurzzeitig spielbare Huldigung an den ursprünglichen Spielablauf und weicht umgehend dynamischerem Design mit einem frei beweglichen Geschütz und verschiedenen Mustern, in denen die Gegner erscheinen, dennoch wirkt das Spiel mit simpel-kruder Klötzchengrafik vor grauem Hintergrund und einfachster Mechanik wie das Ergebnis eines Einsteiger-Tutorials für Spieleprogrammierung. Auch das minimalistische Menü mit markerschütternd klirrendem Bestätigungssound oder die dumpf dröhnenden Technostampfer während der Spielsitzungen scheinen zunächst selbst eines XBox Live Arcade Titels unwürdig. Doch wie es der Untertitel und ein anfängliches Zitat von Charles Darwin andeuten, steckt in dem Shooter mehr, als die ersten Spielminuten vermuten lassen, denn Evolution ist das allgegenwärtige Leitmotiv von Space Invaders: Infinity Gene. In Anlehnung an das Original kommt dabei den gelegentlich auftauchenden Ufos eine besondere Aufgabe zu: Neben Bonuspunkten lassen sie bei Abschluss die namensgebenden und sich optisch mit ihrer klaren Farbgebung deutlich vom Rest des Spiels unterscheidenden Infinity Genes fallen, die aufgesammelt nicht nur die Stärke der eigenen Bewaffnung leicht verbessern, sondern ebenfalls eine stete, sitzungsübergreifende Entwicklungsleiste füllen, welche mit ihren Evolutionsstufen zur dauerhaften Veränderung des Spiels beiträgt. Dementsprechend werden einerseits neue Musikschleifen und Bonuslevel freigeschaltet, anderseits vervollständigt sich die Optionsauswahl in den Einstellungen und ermöglicht so neben Auswahl von Schwierigkeitsgrad und Anzahl der im deutschen etwas sperrig als „Lager“ bezeichneten Leben vor allem den Zugriff auf gänzlich neue Typen von Schiffen. Diese spielen sich allesamt merklich unterschiedlich, indem sie gängige oder ungewöhnliche Genrekonventionen, die in anderen Spielen gerne mit Hilfe von Power-Ups realisiert werden, als eigene Spielfiguren realisieren und damit jeweils fast schon komplett eigenständige Gaming-Erfahrungen bieten. So kommt „die Welle“ dem hinreichend bekannten Streuschuss schon recht nahe, entspricht aber noch immer recht klassischem Baller-Gameplay. Andere steuerbare Verteidigungsanlagen verfügen dagegen beispielsweise ähnlich Segas Rail-Shootern über automatische Laser, die erst aufgeschlossen werden müssen, dann aber eigenständig von jeder Position aus ihr Ziel treffen oder gleich mehrere Geschütze, die abhängig von der letzten Bewegung feuern und sich damit noch einmal deutlich anspruchsvoller steuern. Verdeutlicht durch die weltweiten Highscore-Listen, die anscheinend selbst im Jahr 2023 noch immer aktiv sind, ist vor allem die Feld-Kanone effektiv, die einen beachtlichen Radius um das eigene Gefährt zieht, in dem jegliche Gegner automatisch angegriffen wird. Mit dieser Angriffsmethode -die vielleicht schon den aktuellen ASS-Trend (Auto-Shooter-Survival) von Spielen a la Vampire Survivor vorgegriffen hat- wird das Spiel zwar deutlich einfacher, bietet aber dennoch eine ähnliche Befriedigung wie das Zerplatzenlassen von Luftpolsterfolie, während sich Space-Invaders-Puristen ja dem klassischen Geschütz zuwenden können.

Space Invaders Infinity Gene

Doch nicht nur die eigene Spielfigur, sondern auch Gegner, Spielmechaniken und Präsentation entwickeln sich im Rahmen des Spiels und der Kampagne, die sich über 5 Abschnitte je 6 Level erstreckt. Dabei bleiben die unverkennbaren pixeligen Angreifer aus dem All zwar bis zum Ende Bestandteil der Invasionsarmee, doch zu ihnen gesellen sich alsbald neue Gegnertypen sowie eine ganze Reihe von Mid- und Endbossen, die teilweise mit interessantem Aufbau oder ungewöhnlichen Angriffen selbst heutzutage noch überzeugen. Mit Levelbegrenzungen an den Rändern des Spielfelds werden außerdem die typischen Hindernisse der auf die erste Generation von Ballerspielen folgenden scrollenden Shoot’em Ups eingeführt, wobei sowohl die Erscheinungsmuster der Widersacher als auch deren Bewegungen und ihr Verweilen auf dem Bildschirm oft von der eigenen Vorwärtsbewegung im Abschnitt entkoppelt scheinen und sich der Spielablauf somit als Mischung aus vertikal scrollendem und ursprünglichem Single-Screen-Shooter darstellt. Neben einem effektiven Kombosystem, das dicht aufeinanderfolgende Abschuss-Ketten belohnt, wird zudem schnell die sogenannte Nagoya-Attacke freigeschaltet: Ab dann sind die meisten feindlichen Geschosse nicht sofort tödlich, sondern können für einen kurzen Zeitraum nach dem Abfeuern vom eigenen Schiff passiert werden, was ebenfalls mit entsprechenden Punkte entgolten wird. Wirklich effektiv oder gezielt lässt sich dieses Element aber meiner Meinung nach nicht nutzen, so dass ich mir hier zum Beispiel als Alternative ein System gewünscht hätte, das zum Beispiel für das knappe Vorbeischrammen an gegnerischen Projektilen Boni verteilt hätte.  Doch auch so bieten die jeweils recht kurzen Abschnitte genug Aktion und Motivation, sich längerfristig mit dem Titel auseinanderzusetzen, denn optisch durchläuft Space Invaders: Infinity Gene ebenfalls gleich mehrere Metamorphosen und spiegelt so einige Technologiesprünge wieder, die das Genre seit seiner Entstehung durchlaufen hat. Im Verlauf des Spiels werden grobschlächtig zoomende Sprites durch feine Vektor-Grafiken ausgetauscht, um schließlich als Drahtgittermodelle dezent in die dritte Dimension vorzustoßen. Diese Verwandlung lässt sich im Spielverlauf insbesondere gut an stets wiederkehrenden Boss-Gegnern ausmachen, die gerne mal aus simplen geometrischen Formen zusammengesetzt oder in ihrem essentiellen Aufbau dem Tierreich entliehen sind.  Dennoch bleibt sich Space Invaders: Infinity Gene von Anfang an seiner reduzierten, nahezu monochromen Optik treu, so dass auf eine farbenfrohe, voll texturierte Darstellung als finalem Stadium der Metamorphose verzichtet wird. Stattdessen wird durchgehend auf eine minimalistische, abstrakte Grafik gesetzt, die neben ihrer fast schon klinisch steril wirkenden Ästhetik ganz pragmatische Vorteile bietet: denn mit der Beschränkung auf einfach aufgebaute Strukturen in weiß beziehungsweise grautönen ist das Geschehen praktisch zu jederzeit klar verständlich und lesbar, könnte die visuelle Regel „massiv Weiß = Tödlich“ doch nicht einfacher sein. Dementsprechend kommt es auch nur selten vor, dass man im Eifer des Gefechts doch ein Umgebungshindernis übersieht oder bei einem neuen Feind nicht ganz abschätzen kann, welche Teile nun Schaden verursachen und welche nicht.

Selbst die Eingangs erwähnten stampfenden Techno-Töne verlieren mit der Zeit etwas von ihrem Schrecken. Zwar dürfte die Musikrichtung bereits 2011 ihren Zenit weit überschritten haben und sicherlich nicht jedermanns Geschmack sein,  der sich erweiternde Elektro-Soundtrack passt jedoch in seiner Einfachheit und seinem treibenden Rhythmus dann doch hervorragend zur Baller-Action, vor allem, wenn die in einfarbige Muster getauchten Hintergründe synchron zum Beat pulsieren. Als synästhetisches Gesamtkunstwerk mit videospielhistorischem Hintergrund würde Space Invaders: Infinity Gene selbst heutzutage durchaus als moderne Museumsinstallation nicht deplatziert wirken, kann sich aber hinsichtlich der Verbindung von Ton, Optik und Gameplay nicht ganz mit Titeln von Tetsuya Mizuguchi wie REZ oder Tetris Effect messen.

Stattdessen trumpft das Spiel gerade im Vergleich zu anderen Genrevertretern mit seinem überraschenden Umfang auf: Neben den 30 Leveln des Hauptmodus, und der steten Jagd nach der nächsten Evolutionsstufe sorgt vor allem der Herausforderungsmodus mit satten 99 Abschnitten für Langzeitmotivation. Diese werden zudem zufällig aus den Versatzstücken des Titels generiert, womit Infinity Gene durch frühe Nutzung dieser inzwischen immens populären Rogue-Like-Mechanik erheblichen Wiederspielwert bietet. Darüber hinaus kann man sich noch an speziellen Bonuspassagen versuchen oder per Musik-Import eigene Level generieren lassen.

Space Invaders Infinity Gene

Vom durchgängig spaßigen Spielablauf ist der Space Invaders Titel angenehm flott und dynamisch, ohne dabei zum unübersichtlichen Bullet-Hell-Shooter zu verkommen. Nicht zuletzt die intuitive, auf ein Minimum reduzierte Steuerung trägt ihren Teil dazu bei, dass Space Invaders: Infinity Gene so einsteigerfreundlich wie kaum ein anderer halbwegs moderner Vertreter des Shoot’em Up Genres ist. Lediglich der höchste der fünf Schwierigkeitsgrade ist durchaus anspruchsvoll, verabschieden sich dort doch die meisten Feinde bei ihrem Ableben noch einmal mit einem finalen Kugelhagel, so dass es sinnvoll seien kann, umzudenken, und so manchen Invasoren zu verschonen, oder diese, praktisch noch einmal mit einem komplett neuen Spielelementen versehene Herausforderungsstufe in einem Schiff zu bestreiten, dass mehr Kontrolle über die eigenen Angriffe erlaubt.

Es dürfte nicht weiter verwunderlich sein, dass im Jahr 2011 ein schnörkellos arcadiger Nischen-Downloadtitel mit unspektakulärer Grafik die Gamingwelt nicht gerade in Aufruhr versetzt und bei weitem nicht so tiefreichende Spuren wie sein Urahn hinterlassen hat. Als umfangreiches und tadellos spielbares Gedankenexperiment, dass quasi im Zeitraffer interaktiv eine alternative Version der Geschichte der Videospiele aufzeigt, in der sich das Shoot’em Up Genre vorrangig auf Basis einer seiner Gründungsväter weiterentwickelt hat, sollte Space Invaders: Infinity Gene aber definitiv nicht in Vergessenheit gelangen. Mit seiner Zugänglichkeit ist der Titel nicht nur für eingefleischte Baller-Fans einen Blick wert, sondern ermöglicht im Gegenteil quasi jedem, der sich für das Medium interessiert, einen Einblick in das einst so populäre, inzwischen jedoch weit an den Rand des Mainstream verdrängte Spielprinzip.

Außerdem verdeutlicht das Spiel, dass es manchmal erstrebenswert sein kann, alt eingesessene Serien fortzuführen, ohne sie gleich in aufwändige AAA Produktionen mit epischer Geschichte, jahrelanger Entwicklung und Multi-Millionen an Umsatzerwartung zu verwandeln. Als einer der letzten Inkarnationen der Reihe macht Infinity Gene dem Namen Space Invaders alle Ehre.

Gameboy 1-Bit: Neokyknolith

Gameboy 1-Bit: Mont-Saint-Michel

Gameboy 1-Bit:Mont-Saint-Michel

Der Retro-Platformer Bat Boy, der am 25.05.2023 für praktisch alle aktuellen System wie PC, Xbox, Playstation und Switch veröffentlicht wurde, ist weder das falsch geschriebene Solo-Spin-Off zum Will-Smith/Lawrence Buddy-Cop-Streifen noch handelt es von den Jugendtagen Bruce Waynes Alter Ego Batman. Stattdessen hat das Spiel, für das mir Publisher X Plus Games freundlicherweise einen Xbox Code hat zukommen lassen, einiges mit einem anderen berühmten Man(n) der Videospielgeschichte zu tun, nämlich Megaman, gilt es doch in beiden Fällen in abgeschlossenen Level Jump’n’Run Passagen zu bestreiten, an deren Schluss ein themenspezifischer, ebenbürtiger Endgegner wartet, von den neue Aktionen erlernt werden können. Ganz abwegig ist der Bezug zu DCs dunklem Comic-Ritter dann aber doch nicht, denn während Protagonist Ryosuke und seine sportbegeisterten Freunde tagsüber regulär die High-School nebst entsprechender Clubs zur körperlichen Ertüchtigung besuchen, wirft sich die famose Fitness-Clique des nächtens in ihre Superheldenkostüme, um mit den athletischen Fähigkeiten ihrer jeweiligen Disziplin das Böse zu bekämpfen. So wird aus dem Baseball-Ass Ryosuke der namensgebende Bat Boy, die passionierte Bodenturnerin wandelt sich zu Starlet Twirl und so weiter. In der für Spiele aus der 8Bit Ära typischen simplen, mit pixeligen Standbildern, kleinen In-Game-Animationen und Dialogboxen aber durchaus humorvoll erzählten Hintergrundstory triff diese Truppe dabei auf den üblen Lord Vicious, der den gesamten Kader bis auf Bat Boy per Gehirnwäsche unter seine Kontrolle bringt und anschließend in seine Heimatdimension Stratoss entführt. Nun ist es an Bat Boy, seine Freunde im Zweikampf zu besiegen und damit von dem Bann zu befreien sowie Lord Vicious und seinen Schergen Einhalt zu gebieten.

Die Einflüsse von Capcoms Megaman-Reihe sind in Bat Boy vom grundsätzlichen Ablauf bis hin zu den teils bildschirmweise scrollenden Umgebungen, in denen bei erneutem Besuch bereits besiegte Gegner wieder auftauchen, klar erkennbar, doch auch andere klassische und moderne Genrevertreter wie Shovel Knight, The Messenger, Ducktales und vielleicht sogar eine Prise Sonic, Mario oder das frühe Castlevania dürften als Inspirationsquelle hergehalten haben. Besonders erwähnenswert ist dabei Ryosuke Baseballschläger, mit dem er nicht nur direkt auf Widersacher eindreschen, sondern auch durch einem gut abgestimmten Schlag feindliche Projektile zurückschicken kann. Bereits dieses Gameplay-Element ist dem Spielspaß extrem zuträglich, ist eine gut implementierte Konter-, Parier- oder sonstige Mechanik, mit der sich gegnerische Angriffe gegen sich selbst richten lassen, in Spielen von Metal Gear Rising: Revengeance bis hin zur DOA Prügelserie immer gerne gesehen. Dass manche Gegner nach dem Kassieren von Prügel durch die Gegend rollen und sich somit arcadetypische, befriedigende Kombo-Ketten auslösen lassen, ist ebenfalls ein gelungener Designkniff. Überdies kann die Keule genutzt werden, um für sich alleine geschleudert oder beim Kontakt mit Gegnern oder Geschossen einen extra Sprungschub zu erhalten. Derart lassen sich dann zum Beispiel Kanonenkugeln oder Feinde nutzen, um eigentlich unüberwindbar scheinende Abgründe zu überqueren oder höhergelegene Plattformen zu erreichen. Etwas unangenehm fällt dabei auf, dass der Bat Boy auch außerhalb des obligatorischen rutschigen Eislevels anscheinend im Nebenfach passionierter Eisläufer ist, denn selbst bei kleineren Bewegungen verfügt der Charakter über ein gewisses Momentum, das ihn noch etwas weiter in die entsprechende Richtung rutschen lässt beziehungsweise dazu verleitet, Steuerungseingaben etwas zu überkompensieren. So habe ich beispielsweise unnötig lang mit einer eigentlich trivialen Sprungpassage verbracht, in der seitlich wehender Wind mit einzuberechnen war, weil mal um mal eine schmale Landezone verpasst wurde. Andere dürften damit aber vermutlich weniger Probleme haben, besonders da die Hüpfabschnitte zwar teils fordernd, aber durchaus fair designt und weitestgehend nicht so bockschwer wie so manch ein Megaman Level sind. Mit gerecht platzierten Checkpunkten, Standardgegner, die bereits nach einem Treffer das zeitliche segnen, dem Verzicht auf eine begrenzte Anzahl von Versuchen und dem netten Feature, dass aufgesammelte Boni auch nach dem Ableben erhalten bleiben, kam somit selten Frustration auf, selbst wenn teils 20, 30 oder mehr Anläufe nötig waren, um eine Stufe letztlich erfolgreich abzuschließen. Dabei ist oftmals eher umsichtiges Vorgehen denn blitzschnelles Reaktionsvermögen gefordert, bis hin zu fast schon kleineren Knobelaufgaben, bei denen man sich überlegen muss, wie man den Bildschirm am besten unbeschadet durchquert. Andererseits sorgen diverse Feinde und Hindernisse durchaus für actionreiche Abschnitte. Da die Levelauswahl über eine sich nach und nach erweiternde Oberweltkarte getroffen wird, ist dabei sichergestellt, dass einerseits der Schwierigkeitsgrad gezielt angezogen werden kann und andererseits dennoch ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit gewährt wird, zumal jede der abwechslungsreichen Spielstufen mit teils eigenen spielerischen Schwerpunkten und vielen kreativen Ideen aufwarten kann.

bat boy Karte

In den vorrangig gegen ehemalige Mitstreitern zu bestehenden Bosskämpfen ist eine behutsame beziehungsweise reagierende Herangehensweise ebenfalls erfolgversprechender als blindes Losstürmen, denn mit einem ganzen Arsenal an verschiedenen Attacken und in der Regel zwei Phasen sind sie wahrlich kein Spaziergang, ein Sieg fühlt sich dann aber um so triumphaler an. Als Belohnung winken zudem neue Fähigkeiten wie ein Greifhaken, die verdeutlichen, warum das Spiel (abgesehen vom fehlenden Absatzmarkt) nicht für „echte“ Retrosysteme entwickelt wurde, ist doch der XBox-Controller bis hin zu den Schultertasten gut mit diesen Sonderaktionen ausgelastet, so das ein simples 2-Button Gamepad hier heillos überfordert wäre. Dennoch ist der Einsatz dieser Upgrades nicht etwa zwingend nötig, um spätere Level abzuschließen, sondern sie bieten vielmehr eine willkommene Erleichterung in brenzligen Situationen oder dienen dazu, auch in bereits besuchten Umgebungen geheime Bereiche zu erreichen und so versteckte Collectables wie Soundtrack-Kassetten, magische Samen oder einfach nur die verteilten Diamanten einzusammeln. Um die Spielbalance dabei nicht allzu sehr aus dem Gleichgewicht zu bringen, ist die Nutzung dieser Spezialbewegungen dementsprechend auf eine zunächst nur drei Anwendungen umfassende Ausdauer-Anzeige beschränkt, die sich aber ebenso wie die Lebensleiste in Shops ausbauen lässt.

Bat Boy bietet damit eine ausgewogene und auch langfristig motivierende Spielmechanik, dargeboten in einer attraktiven Retro-Verpackung, die deutlich Anleihen bei den Konsolen-Titeln der 80er  nimmt. Die Chip-Tune-Stücke haben vielleicht nicht ganz das Zeug zum Allzeit-Ohrwurm anderer 8-Bit Hymnen, klingen jedoch authentisch und passen mit ihren fröhlichen, energiegeladenen Kompositionen hervorragend zum Geschehen.

Gleichermaßen ist die Optik und das bunte Kolorit klar von den Möglichkeiten und der Farbpalette des NES inspiriert, und auch inhaltlich wird zumindest hinsichtlich der Umgebungen mit Themen wie Dschungel, Strand oder eben frostige Eislandschaft auf Altbewährtes zurückgegriffen, das mal mehr, mal weniger zur sportlichen Motiv des jeweiligen finalen Konflikts passt. Ab und an nimmst sich Bat Boy dabei zwar anscheinend die Freiheiten höherer Auflösung, um beispielsweise Texte etwas lesbarer darzustellen oder Schneeflocken sanft über den Schirm rieseln zu lassen, im Großen und Ganzen stimmt aber der hübsche Pixel-Look und vermittelt nostalgische Gefühle. Wie auch die Musikuntermalung kann sich dabei die blockige Grafik nicht unbedingt mit den absoluten Highlights moderner und historischer Klassiker messen, weil zum Beispiel einzelne Figuren gelegentlich etwas „unsauber“ ausgearbeitet erscheinen, doch diese technischen Kritikpunkte macht Bat Boy mit einer Menge Charme wieder wett. Vor allem die in allen Leveln auftreten Pigzies genannten schweinischen Gegner sorgen für Belustigung, wenn sie die Sportart des Abschnitt-Wächters aufgreifen und so beispielsweise Gymnastikbänder schwingend Pirouetten drehen oder in voller American Football Montur die eiförmigen Bälle umherwerfen.

bat boy

Wer sich auch nur im geringsten für diese Art von klassisch inspirierten Spielen interessiert, sollte daher auf jeden Fall einen Blick auf Bat Boy werfen. Der Titel verbindet gekonnt unverfälschtes Spielgefühl und grundsolide Präsentation der 8Bit Generation mit einigen modernen Annehmlichkeiten, ohne dabei seine Wurzeln zu verleugnen, und lässt mit seinem anspornenden Schwierigkeitsgrad die Zeit wie im Fluge vergehen.

Die Gaming-Branche hatte schon immer eine innige Beziehung zur Film-Industrie. Doch während momentan vor allem animierte Spielfilme von Spieleklassiker wie Sonic und Super Mario oder TV-Adaptionen zu the last of us in Hollywood die Herzen höher schlagen lassen, waren zu Beginn der aufkommenden elektronischen Unterhaltung die Verhältnisse noch umgekehrt: bereits auf den frühen Atari 2600 Heimkonsolen gab es Spiele, die sich bei den damals populären Blockbustern-Reihen wie Star Wars oder Indiana Jones bedienten, und noch bis in die erste Dekade des aktuellen Jahrtausends wurde nahezu jedes halbwegs vielversprechende Filmprojekt mit einer Videospiel-Versoftung versehen. Die Motivation dahinter ist eigentlich naheliegend: Durch geballte mediale Präsenz und wechselseitige Begeisterung möglichst viel Aufmerksamkeit und damit einhergehend Geld generieren. Abgesehen davon, dass bei vielen Spielen zum Film oftmals ein Großteil des Budgets vermutlich in die Lizenz gesteckt wurde und daher weniger Geld für die die eigentliche Entwicklung übrigblieb, war und ist Aktualität, die für zeitgleichen Verkaufsstart zur Kino-Premiere sorgt, eigentlich eine Grundvoraussetzung, ist die Haltbarkeit von vielen Streifen doch auf wenige Monate beschränkt. Kann sich heutzutage zum Beispiel noch jemand an Darkman (Film oder Game) erinnern oder sich die Beliebtheit des animierten Leinwandauftritts der Trolls-Spielzeuge erklären? Um so erstaunlicher, dass es -anscheinend vorrangig Mitte der Nullerjahre entwickelt- auch einige Videospieladaptionen zu zugegebenermaßen oftmals Klassikern gibt, die der erstmaligen Vorführung in den Lichtspielhäusern teils mehrere Jahrzehnte hinterherhinken?

Rambo:the videogame ( 1982 vs 2014)

Den Einstieg macht eine Filmreihe, dessen zweiter Teil zum Zeitpunkt seines Erscheinens in den Kinosälen bereits wie oben beschrieben eine umfangreiche Vermarktung als Videospiel erfahren durfte. Passend zum deutlich martialischeren Inhalt des Streifens wurde Rambo: First Blood Part II schon 1985 als damals populärer Überkopf-Militär-Shooter auf diversen Computer- und Videospiel-Systemen wie dem C64 oder Sega Mastersystem umgesetzt und konnte dort durchaus beachtliche Erfolge verzeichnen. Gute 30 Jahre später sicherte sich der wohl auf Filmumsetzungen spezialisierte polnische Entwickler Teyon die Rechte an den ersten 3 Rambo-Streifen, die Sylvester Stallones Position neben Arnold Schwarzenegger als Action-Ikone der 80er zementierte, und fasste die Handlungen 2014 in Rambo: The Videogame zusammen. Damit erfüllt der Railshooter, der auf der Playstation3 wahlweise auch mit dem Move-Controller gespielt werden kann, zumindest formell die Kriterien dieser Liste, inhaltlich ist die Schießbude aber auf unterstem Niveau.

Reservoir Dogs (1992 vs 2006)

Erst kürzlich feierte Kult-Regisseur Quentin Tarantino seinen 60. Geburtstag und rückte somit auch wieder sein Debütwerk Reservoir Dogs aus dem Jahr 1992 ins Gedächtnis. Dieses wurde nach für diese Liste geradezu lächerlich kurzen 14 Jahren für die Playstation 2 und Xbox umgesetzt, jedoch in beiden Medienformen wegen des hohen Grades an Gewalt kritisiert. Doch wo der Film als Heist-Movie ohne Heist mitunter als größter Independentfilm aller Zeiten betitelt wird und eine eingeschworene Fangemeinde ausweisen kann, konnte das Videospiel trotz oder wegen der erweiterten Handlung rund um den Raubzug der farbenfrohen Gangstercrew wenig überzeugen.

Scarface ( 1983 vs 2006)

Dass sich Spiele auch abseits offizieller Lizenztitel gerne hinsichtlich Stimmung, Setting und Handlung von cineastischen Vorlagen inspirieren lassen, zeigt wohl kaum ein Studio so deutlich wie Rockstar. Die Red Dead Serie ist unverkennbar diversen (Italo-)Western nachempfunden, GTA San Andreas nimmt sich vor allem in seinem Anfangsgebiet Los Santos afroamerikanische Dramen der 90er Jahre wie Menace II Society oder Boyz N the Hood zum Vorbild und GTA: Vice City orientiert sich klar an der TV Serie Miami Vice und dem Gangsterepos Scarface mit Al Pachino. Andersherum rief seit den 2000ern vor allem die Popularität der seit Teil 3 gänzlich dreidimensionalen, offenen kriminellen Spielwelt der Grand Theft Auto Reihe zahlreiche Nachahmer dieses Spielprinzips auf den Plan, so das Radical Entertainment 2006 auf den Open-World Zug aufsprang und mit Scarface: the world is yours eine Videospielumsetzung zum Brian De Palmas Streifen aus dem Jahr 1983 entwickelte, die das Filmende weitestgehend ignorierte und die Handlung fortführt.

Der Pate (1972/1974 vs 2006/2009)

Obwohl die Pate-Trilogie sicherlich zu den Meilensteinen der Filmgeschichte gehört, muss ich gestehen, dass ich bislang noch nicht einen Teil komplett gesehen habe. Zu langatmig schien mir die Familiengeschichte der Corleones. Dementsprechend hat mich auch das Videospiel, das Electronic Arts 2006 bzw. 2007 zum Generationenwechsel von Playstation 2 zu 3 sowohl auf der alten wie auch der neuen Hardware der verschiedenen Hersteller veröffentlichte, wenig interessiert. Wie Scarface orientierte sich auch das „Der Pate“-Videospiel am großen Vorbild GTA, konnte einige der prominenten Filmdarsteller für die Synchronisation verpflichten und erhielt 2009 eine Fortsetzung, die wiederum auf dem zweiten Teil der Godfather-Reihe aus dem Jahr 1974 beruhte.

The Warriors (1979 vs 2005/2009)

Und ein weiteres, aufgrund expliziter Gewaltdarstellung kontroverses Crime-Flick, das den Sprung in die Interaktivität geschafft hat. Dass der komischerweise denglisch als „Die Warriors“ übersetzte Streifen von 1979 gerade hierzulande weniger bekannt ist als die meisten anderen Vertreter dieser Liste dürfte vorrangig der Indizierung im Jahr 1983 geschuldet sein. Dennoch haben viele Elemente wie weiß-geschminkte Gangmitglieder in Baseball-Uniformen oder das „CAN YOU DIG IT?“-Zitat unverkennbar Einzug in die Popkultur gehalten. Dementsprechend bewies Rockstar 2005 ein sicheres Gespür bei der Vorlagenauswahl der bisher einzig offiziellen Filmumsetzung dieses Studios. Statt in einer komplett offenen Welt wird in etwas kleineren Bereichen, aber weiterhin mit vielen Freiheiten, sowohl die Vorgeschichte der namensgebenden Gang und ihrer Mitglieder beleuchtet als auch die Leinwandhandlung in Form der Jagd durch die Straßen von New York nacherzählt.
2009 wurde der düstere 70er Jahre-Streifen ein zweites (und spielerisch nicht sonderlich schmeichehaftes) Mal vom XBox Live Arcade Titels The Warriors: Street Brawl aufgegriffen, der ebenfalls den Versuch der Gang, in ihr vertrautes Revier nach Coney Island zurückzukehren -dieses mal als klassischer Brawler im Stile eines Streets of Rage oder Final Fight– nachspielbar machte.

Liebesgrüße aus Moskau (1963 vs 2005)

Auf die Frage nach dem einzig wahren James Bond Darsteller kann es eigentlich nur eine korrekte Antwort geben. EA hielt die Doppel-Null Lizenz in den Jahren 1999 bis 2005 inne und nutzte Pierce Brossnans Ebenbild nicht nur in der Umsetzung des 18. Bond-Abenteuers Tomorrow never dies von 1999, sondern gab ihm auch die Hauptrolle in den von jeglichen Filmvorlagen losgelösten Nachfolge-Titeln James Bond 007: NightFire und James Bond 007: Everything or Nothing. Zum krönenden Abschluss der Rechteinhaberschaft perfektionierte man mit dem 2005er Spiel From Russia with Love beziehungsweise Liebesgrüße aus Moskau nicht nur die von Fahrzeugabschnitten durchsetzte Schleich-Action-Kombination aus der dritten Perspektive des Vorgängers, sondern besann sich hinsichtlich Darsteller und Handlung auch auf die Ursprünge des britischen Spions, so dass nach über 40 Jahren ein Spiel zu Bonds zweitem Kinoauftritt aus dem Jahr 1963 entstand, in dem Sir Sean Connery den smarten und oftmals chauvinistischen Agenten verkörperte. Der Titel überzeugte nicht nur mit gelungener Spielbarkeit, sondern fing den Charme der 60er Jahre beispielsweise mit stilsicheren Maßanzügen und dem unsagbar coolen Aston Martin DB5 gekonnt ein. Dabei verlieh der schottische Schauspieler seinem digitalen Gegenstück nicht nur sein zeitlos attraktives Aussehen, sondern auch seine Stimme, denn anders als in vielen anderen Produktionen wurde nicht auf ein im Falle von Connerys dickem schottischen Dialekt leicht zu bewerkstelligen Sound-a-like zurückgegriffen, sondern der Oscar-Preisträger sprach die Dialoge für das Spiel als eine seiner letzten beruflichen Auftritte überhaupt persönlich ein.

PETSCII Art: PETSCII-Time

Einige der meiner Meinung nach interessantesten Videospiele der letzten Jahre basieren auf der Verbindung von eigentlich komplett unterschiedlichen Genres. Yoku’s Island Express zum Beispiel ist zu gleichen Teilen Flipperautomat und Metroidvania, während Dicy Dungeon Rouge-Light-Dungeoncrawling und Würfelspielelementen a la Kniffel mischt.
Auch BROK the InvestiGator von Entwickler und Publisher CowCat Games setzt neben dem typischen Rollenspiel-Auflevel-System, das sich inzwischen in praktisch jedem Spiel wiederfindet, auf die ungewöhnliche Kombination von Brawler-Pügelei und Point-n-Click Abenteuer. Das Spiel ist bereits seit einiger Zeit für den PC erhältlich, doch die Konsolenversionen für Playstation, XBox und Switch erschienen erst am 01.03.2023, von denen mir freundlicherweise ein Code für die Xbox One zur Verfügung gestellt wurde.

BROK the InvestiGator

Vom Ablauf her ist BROK the InvestiGator vorrangig ein storylastiges Adventure-Game, doch anders als es die farbenfrohe Zeichentrick-Optik vermuten lässt, unterscheidet sich die Spielwelt voller anthropomorpher Tieren wie Reptilien, Katzen und Vögel teils deutlich vom freundlich-heiteren Setting der Glücksbärchen und Co. Vielmehr wird eine krisengebeutelte, dystopische Zukunft voller Zerfall, Klassenunterschiede und staatlicher Überwachung beschrieben. Angesichts fast schon nihilistischer Situationen, beispielsweise wenn ein obdachloser Veteran sein Ableben bereitwillig akzeptiert, weil er KreditHaien Ratten das Geld für seine Medikamente nicht zurückzahlen kann, bin ich mir nicht ganz sicher, inwieweit der Titel gar politische Gesellschafts- und Technologiekritik im Gewand einer Fabel sein soll oder doch überspitzte Satire. Denn strukturell bleibt es den Samstag-Vormittags-Cartoons, die offensichtlich als Inspiration dienten, durchaus treu und bietet auch viel Amüsantes wie Anspielungen auf Disney-Channel-Serien, die dezent genug sind, um Eingeweihten ein ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

Aber auch die persönlichen Schicksale, denen sich der namensgebende Protagonist Brok gegenübersieht, sind verhältnismäßig bodenständig und ernst, wenn er sich z.B. als Witwer um die Erziehung des pubertierenden Kind seiner verstorbenen Frau kümmern muss. Um sich und sein Adoptivsohn Graff, den man in späteren Kapiteln parallel durch eigene Aufgaben steuert und somit die Handlungen aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, jenseits der Oberschicht selbst als Alligator über Wasser halten zu können, arbeitet Brok in verschiedenen Berufen, insbesondere als Privatdetektiv. In bester Tradition entsprechender Kriminalgeschichten ist dann auch in seinem jüngsten Fall, der sich zunächst nach einem einfachen Routinejob anhört, nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die in zusammenhängende Episoden aufgeteilte Story nimmt mit ungewohnten Wendungen bis hin zu Columbo-esken Mordermittlungen und Mystery-Einflüssen einen interessanten Verlauf, sich dabei aber auch genügend Zeit, um dem vielleicht nicht in allen Aspekten perfekt ausgearbeiteten Science-Fiction-Szenario und den persönlichen Dramen genug Raum zur Entfaltung zu geben. Das liegt vor allem an der Gesprächigkeit der Figuren, allen voran Brok, der zu praktisch jedem der zahlreichen Umgebungsobjekte einen Kommentar zwischen Zweckoptimismus und „Früher-war-alles-besser“-Attitüde bereit hält, und auch in den Dialogen mit anderen Charakteren stehen nicht nur quest-relevante Gesprächsthemen zur Auswahl, sondern man kann auch zu vielen der mitgeführten Gegenständen eine Meinung einfordern.

BROK the InvestiGator

Die durchdachte Controller-Steuerung trägt ebenfalls stark dazu bei, tief in die Welt von BROK the InvestiGator einzutauchen: Da man die Spielfiguren zügigen Schrittes direkt bewegt, sind interagierbare Bereiche schnell erreicht, zumal in deren Nähe ein erklärender Text eingeblendet wird. Sollte dennoch Unklarheit drüber herrschen, ob man in den maximal zwei bis drei Bildschirm großen Lokalitäten alles Interessante untersucht hat, können mit der X-Taste sämtliche Hotspots eingeblendet oder zwischen ihnen mit dem Steuerkreuz durchgeschaltet werden, und für den seltenen Fall, dass Gegenstände mal etwas zu dicht beieinander stehen, lässt sich mit dem linken Stick noch ein Cursor pixelgenau platzieren. Damit ist die Bedienung nahezu perfekt auf die Konsole angepasst und lässt klassische Maus-Interfaces am PC wie ein klobiges Relikt aus alten Tagen wirken. Lediglich in der Nähe von Ausgängen sorgt die unmittelbare Steuerung ab und an dafür, dass man ein Areal vielleicht unbeabsichtigt verlässt und so wieder auf der Weltkarte landet, um andere Schauplätze zu erkunden. In Kombination mit dem Inventar reicht dann auch praktisch eine Taste aus, um die teils anspruchsvollen Denksportaufgaben zu lösen. Gelegentlich muss man zwar leicht um die Ecke denken oder in seltenen Fällen herumprobieren, doch in der Regel sind die Puzzle sehr konkret entworfen und haben nachvollziehbare Lösungen, so dass sich gleich mehrfach sehr befriedigende „A-ha“-Momente eingestellt haben. Dabei wird viel Abwechslung geboten, denn neben klassischen „Benutze-Gegenstand-X-mit-Objekt-Y“ Point and Klick Aufgaben finden sich auch für sich alleine stehende Logikrätsel, Escaperoom-Elemente oder Dialogknobeleien. Außerdem haben verschiedene Handlungsmöglichkeiten teils deutlichen Einfluss auf den Verlauf der Geschichte und eröffnen optionale Aufgaben. Für meinen Geschmack leider viel zu selten muss Brok seinen kriminalistischen Verstand in Verhörsituationen nutzen, um ähnlich der Ace Attorney Reihe in großartiger Weise Informationen, die er im Laufe des Abenteuers gesammelt hat, so zu verknüpfen, dass sich neue Erkenntnisse oder Widersprüche ergeben. Und reicht der Hirnschmalz in machen Situationen nicht aus, kann auch auf rohe Muskelkraft zurückgegriffen werden. Ein simpler Knopfdruck genügt nämlich, um in den Prügelmodus zu wechseln. Der ermöglicht es nicht nur, agil durch die Landschaft zu hüpfen, was ebenfalls zum Knacken der einen oder anderen Kopfnuss beiträgt, sondern auch, nach belieben Backpfeifen auszuteilen und auf Gegenstände einzuschlagen. Auf diese Art und Weise eröffnen sich dann auch verschiedenste Herangehensweisen zur Bewältigung ein und der selben Aufgabe, so dass mich BROK the InvestiGator in diesem Punkt stark an die leider viel zu sehr unterschätze Quest for Glory Reihe erinnert. Beispielsweise könnte man eine Türe einfach einschlagen oder sich auf die Suche nach einem entsprechenden Code machen.

Spielt man das Spiel nicht im einfachen Modus, sind manche Auseinandersetzungen jedoch unvermeidlich, und der Titel entfaltet sein vollständiges Brawler-Potential. Denn so gelungen der hauptsächliche Adventure-Anteil ist, so kompetent sind die Prügelabschnitte. Bei den Rangeleien mit Gang-Mitgliedern, Profikämpfern und Sicherheits-Robotern bietet Brok the InvestiGator alles, was man von einem entsprechenden Spiel erwartet, und mehr. Gemäß der massiven Figuren steckt in den Hiebe und Tritte merklich Gewicht, und eine Block-Taste, die ich in vielen anderen Genrevertretern schmerzlich vermisse, verleiht dem Kombo- und Air-Juggle-lastigen Kampfsystem eine weitere taktische Note. Nun sind die Schlägereien während der Story-Abschnitte relativ kurz gehalten, um die Geduld nicht unnötig zu beanspruchen, in meinen Augen stehen sie aber durchaus aktuellen Vertretern des in letzter Zeit wiederbelebten Metiers wie Streets of Rage 4 in kaum etwas nach, auch wenn ich etwas die Möglichkeit vermisse, Wiedersacher zu greifen. Vermutlich auch darum kann Brok an virtuellen Arenakämpfen zur Aufbesserung des stets knappen Budgets teilnehmen beziehungsweise für diese abendlich stattfindenden Veranstaltungen trainieren. In bestem Stile eines Rouge-Lights wird dann aus verschiedenen Bausteinen ein kurzer, linearer Level generiert, der neben allerlei Gegner auch einige Fallen wie Minen oder herabfallende Felsen enthalten kann. Auch wenn letztere Elemente vielleicht etwas zu viel des Guten sind, machen diese Kämpfe jede Menge Spaß (weswegen sie auch unabhängig vom Spielverlauf direkt vom Hauptmenü aus gestartet werden können) und dienen darüber hinaus mit Erfahrungspunkten noch dazu, die eigenen Fähigkeiten hinsichtlich Stärke, Lebensenergie oder Spezialangriffen aufzubessern. Lediglich wenn zu viele zu starke Gegner wie Militärroboter, die ganz eigene Taktiken benötigen, in den Mix geworfen werden, wird das ganze etwas hektisch, andererseits erlauben es Gegenstände wie Nahrungsmittel, Energydrinks oder Waffen die Oberhand zu behalten.

BROK the InvestiGator

Wer übrigens angesichts dieser Actioneinlagen besorgt um ein vorzeitiges Game Over ist, darf getrost aufatmen. Genau wie bei den Toden, die Brok auch im Adventure-Teil ereilen können, wird man nicht nur praktisch unmittelbar wieder an die Stelle des Scheiterns versetzt, sondern die verschiedenen, jeweils mit eigenen Bildern dokumentierten Sterbesituationen sind auch eines von unzähligen Sammelobjekten.  Neben freischaltbaren Galerien sind in jedem Schauplatz außerdem noch drei Werbeflyer verborgen, die sich ihrerseits mitunter hinter kleineren Rätselaufgaben verstecken und die gegen hilfreiche, aber nie zu direkte Ratschläge eingetauscht werden können, sollte man einmal feststecken.

Anhand der Konzept- und Produktionszeichnungen lässt sich dann auch gut der optischen Werdegang des Kickstarterprojekts nachvollziehen, wobei ich gestehen muss, dass mir der Grafikstil zunächst nur bedingt zugesagt hat. Anfangs scheinen die handgezeichneten Umgebungen etwas zu bunt und chaotisch und die Figuren könnten mit ihrer flächigen Gestaltung und Zoom-Effekten wie ein Fremdkörper wirken und Erinnerungen an triviale Flash-Spielchen wecken. Dieser Eindruck verfliegt aber schnell und man hat sich rasch an den etwas kruden Look gewöhnt. Winzig kleine Probleme treten allenfalls im Zusammenhang mit der Darstellung der räumlichen Tiefe in den letztlich zweidimensionalen Umgebungen aus, so dass es eventuell mal vorkommt, dass der flache Held etwas weiter über einen Vorsprung ragt, als es eigentlich möglich sein sollte, oder zu früh hinter einem Schreibtisch verschwindet. Zudem sind die Hintergründe sehr statisch gehalten und zeigen allenfalls mal ein paar Fahrzeuge, die sich durch das Bild schieben. Auch bei den Animationen der Handlungstragenden scheint man klare Prioritäten gesetzt zu haben. Die Charakterportraits in den Gesprächen verfügen noch über ausdrucksstarke Mimik und die Standardbewegungen der tierischen Geschöpfe sind ausreichend flüssig animiert. Vor allem in den Prügelabschnitten kommt dieser Verzicht auf allzu ausladende und akribische Wiedergabe der Abläufe sogar der flotten und direkten Spielbarkeit zugute. Leider werden aber auch für sonstige, speziellen Handlungen weniger die konkrete Ausführung als oftmals nur das Ergebnis mit ein, zwei Zwischenschritten dargestellt. Damit dürfte sich Brok the InvestiGator eher an einfachen Hanna-Barbera-Cartoons als an detailverliebten Disney-Spielfilme orientieren, was der Präsentation insgesamt aber keinen Abbruch tut, zumal die animalischen Akteure ähnlich sympathisch designt sind wie Jabberjaw oder Wally Gator. Doch heimliches Highlight des Spiels ist sowieso die vollständige englischsprachige Vertonung. Beeindruckende 23000 Zeilen des gut ausgearbeiteten Skripts wurden von den Synchronsprecherinnen und Synchronsprechern in einer Qualität vorgetragen, die sich mit Hörspielen oder eben einer Zeichentrickepisode durchaus messen kann. Gerade im Kontext der comicartigen Inszenierung wirken die deutlich vorgetragenen Dialoge trotz einigem Pathos nie deplatziert oder mit unnötig verstellter Stimme eingesprochen, sondern lassen die Konflikte trotz der tierischen Beteiligten erstaunlich menschlich wirken. Dazu gesellt sich ein unaufdringlicher Soundtrack, der mit punktuell eingesetzter, dramatischer Musikuntermalung gekonnt zum Spannungsaufbau beiträgt.

Nicht nur mit seiner reifen Story, die gegen Ende leider etwas abdriftet, richtet sich Brok the InvestiGator klar an Spielerinnen und Spieler, die in den frühen 90ern und somit in der Hochzeit des Adventure- und Beat’em Up Genres und entsprechenden Cartoonserien aufgewachsen sind. Doch statt einfach nur auf auf nostalgisches Retro-Gameplay zu setzen, wurden gleich zwei Genres gekonnt an moderne Belange angepasst und zu einer nahtlosen, homogenen Spielerfahrung zusammengefügt. Überdies bietet der Titel mit seinen Action-Elementen, optionalen Nebenaufgaben und unterschiedlichen Enden für das Adventure-Genre eigentlich unüblich viel Wiederspielwert, der über die eine oder andere raue Kante des Spiels hinwegsehen lässt. Die tadellose Spielbarkeit und Qualität von BROK the InvestiGator lässt mich auf jeden Fall hoffen, dass Entwickler CowCat mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht und vielleicht sogar in Kooperation mit einem Lizenzgeber weitere Spiele dieser Art zu in Vergessenheit geratenen Zeichentrickserien wie beispielsweise Fish Police entwickeln darf.

Mit Ninja Gaiden und Dead or Alive 3 hat Tecmos Team Ninja nicht nur tapfer die Fahne der in Japan entwickelten Titel für die ursprünglichen XBox hochgehalten, sondern auch gleich zwei meiner absoluten Lieblingsspiele erschaffen. Daher ist es kaum verwunderlich, dass ich voller Vorfreude hellhörig wurde, als mit Wanted: Dead ein Actionspiel von den Machern eben dieser Klassiker angekündigt wurde, auch wenn die Entwicklerinnen und Entwickler inzwischen beim Studio Soleil untergekommen sind. Das Spiel ist am 14.02.2023 für den PC, Playstation und XBox erschienen, doch angesichts der Qualität des Machwerks bedaure ich es fast, Publisher 110Industries um einen Code für die XBox One gebeten zu haben.

Dabei ist die Prämisse des Titels durchaus vielversprechend: In einer alternativen Version des Jahres 2022 haben einerseits die 80er Jahre und die deutsche Sprache deutlich größeren internationalen Einfluss auf die Gegenwart, andererseits ist die Technologie soweit fortgeschritten, dass kybernetische Prothesen zur Selbstverbesserung und synthetisch erzeugt Arbeitsandroiden an der Tagesordnung sind. Im Rahmen eines Rehabilitierungsprogramms wird Protagonistin Hannah Stone ihre lebenslange Haft im Militärgefängnis erlassen, um zusammen mit drei anderen schlachtfelderprobten Ex-Knackies im so geformten Suicide … – äh, Verzeihung – Zombie-Squads die Hongkonger Polizei in prekären Situationen zu unterstützen. Der sich konkret eröffnende Fall greift mit der Identitätsfindung der künstlich geschaffenen Menschen kurzzeitig gar ähnliche Storyansätze wie der Kultstreifen Blade Runner auf, besonders für ein Vollpreis-Spiel ist Wanted Dead aber geradezu laienhaft und planlos inszeniert. Sinnfreie Zwischensequenzen ziehen sich zäh wie Kaugummi und schaffen es mangels Dramaturgie weder, konsequent Licht in die wirre Handlung zu bringen noch die in Kapitel aufgeteilten Actionsequenzen stringent miteinander zu verbinden. Stattdessen werden häufig die Teammitglieder in banalen Situationen wie dem Besuch eines Restaurants gezeigt oder inhaltsleere Gespräche nur um ihrer selbst willen geführt. Nun sind gerade japanische Titel durch dafür bekannt, mitunter auch mal „amüsant-merkwürdig“ zu sein, beispielsweise wenn Solid Snake ellenlange Referate über seine Lieblingsfilme hält oder sich Yakuza Held Kiryu mit Exibitionisten herumschlagen muss, doch Wanted Dead ist in meinen Augen einfach nur „merkwürdig-merkürdig“. Wie viel Fremdschäm-Potential und stilistische Inkonsistenz Wanted Dead bietet, wird selbst an den viel zu oft auftretenden Ladeanimationen deutlich: Denn hier wird ohne irgendwelchen Kontext das „Supa Hot Fire“ Meme-GIF aufgegriffen, doch anstatt dann wenigstens den ruckeligen Zwei-Sekunden-Clip vorlagengetreu nahtlos in einer Endlosschleife abzuspielen, wird er von von einer ca. 3 Sekunden langen Schwarzblende unterbrochen. Die angesprochen Sequenzen sollen vermutlich ebenso wie die Möglichkeit, zwischen den Einsätzen das Polizeipräsidium frei zu erkunden, dazu dienen, den Figuren so etwas wie Persönlichkeit zu verleihen, jedoch bleiben sie eindimensional, entbehren jeglicher interessanter Chrakterzüge und fallen vielmehr durch beklemmend unangenehmes Verhalten auf. Das trifft allen voran auf Scharfschütze Belästiger Herzog zu, wenn er offensichtlich ungewollte körperliche Nähe erzwingt oder zotige Sprüche als vermeintliche Witze von sich gibt, die nicht einmal ansatzweise humorvoll sind. Die englischsprachigen Dialoge sind dann auch noch derart amateurhaft vertont, dass man sich fragen muss, ob hier wirklich Sprecher und Sprecherinnen unter professionellen Bedingungen in ein Tonstudio gebeten wurde, oder zufällig ausgewählte Leute in Heimarbeit Sätze ohne deren Kontext zu kennen mit einem alten Mobiltelefon aufgenommen haben. Die Synchronstimme der Hauptdarstellerin dürfte deutlich hörbar Englisch nicht als Muttersprache erlernt haben, sondern – wenn ich auf Basis einer akzentfreien Interpretation von „99 Luftballons“ raten müsste – Deutsch, was jedoch nicht davon entbinden sollte, dem Gesprochenen in irgendeiner Form Gefühl zu verleihen oder es auf die jeweilige Situation im Spiel anzupassen.

Über diese stilistischen Kritikpunkte könnte man eventuell sogar noch hinwegsehen, wenn die Spielmechanik stimmen würde – schließlich ist selbst in den besten Actionspielen Setting oder Story eher Nebensache -, doch auch in diesem Punkt versagt Wanted Dead kläglich, selbst wenn man sich die Kämpfe, in denen man sich wohlgemerkt als Gesetzesvertreterin im Rang eines Detectivs findet, halbwegs logisch erklären könnte. Erneut hört sich die Grundidee, deckungsbasierten Shooter mit stylischer Character-Action zu verbinden, eigentlich nach einem frischen, spaßigen Konzept an. Überraschenderweise ist der schusswaffenbasierte Teil der oft in übersichtlichen Arenen ausgetragenen Gefechte dann sogar zunächst das kleinere der beiden Übel: In der Nähe von Mauern, Barrikaden und sonstigen Landschaftselementen wird relativ anstandslos automatisch in Deckung gegangen, verschiedene Zweitwaffen erhöhen die Durchschlagskraft und das Standard-Gewehr kann ebenso wie die vorrangig für kürzeste Distanzen genutzte Pistole hinsichtlich diverser Eigenschaften modifiziert werden. Doch gewisse Gegnertypen, die selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad, der erst nach mehreren Fehlversuchen freigeschaltet wird, Unmengen an Kugeln einzustecken beziehungsweise komplett von ihnen unbeeindruckt zu bleiben, vermiesen dann schon mal die Feuergefechte, zumal man sich schnell von allen Seiten attackiert findet und somit das Deckungs-Feature nur bedingt hilfreich ist. Chronischer Munitionsmangel und die unnatürlich wirkende Geschwindigkeit, mit der sich die Widersacher fast schon gleich einem Benny-Hill-Sketch zwischen den Schutzmöglichkeiten bewegen, sind weitere – wenn auch nicht motivierende Anreize – in den Nahkampf überzugehen. Der ist jedoch gerade hinsichtlich der Referenzen des Teams hinter Wanted Dead mehr als enttäuschend. Für die Auseinandersetzungen von Angesicht zu Angesicht steht Hannah lediglich ihr Samuraischwert beziehungsweise die X-Taste als Angriffsoption zur Verfügung, was die Möglichkeit der sonst so typischen Kombos und Waffenwechelwirkungen arg einschränkt. Zwar lässt sich auch noch ein Schuss aus der Pistole einstreuen, die ist aber vor allem zur Abwehr ansonsten unblockbarer Attacken hilfreich. Normale Hieb- und Stichangriffe können stattdessen theoretisch per Seitenschritt vermieden oder Schultertaste geblockt und pariert werden. Doch wo sich alle Ninja Gaiden-Teile trotz berechtigter Kritikpunkte butterweich und exakt steuern lassen, fühlt sich Wanted Deads Offensivbewegungen auf kurze Distanz ungewohnt passiv, träge und ungenau an. Während Ryu Hayabusa praktisch mit Controller und Spieler verschmilzt, so dass man jederzeit das Gefühl hat, ihn wirklich zu steuern, wirken Hannah Stones Aktionen mit dem Katana distanziert, indirekt und mitunter etwas verzögert. Mag es an der mangelnden Performance der Xbox One S, merkwürdiger Animations-Priorisierung oder sonstigen Gründen liegen, aber regelmäßig scheinen Blocks wenig Effekt zu haben oder verhindern trotz vermeintlich korrekter Ausführung nicht, dass die Heldin ohne Kontrollmöglichkeiten zurückgeworfen wird. Wenigstens setzt man die für Ninja Gaiden typische Tradition einer störrischen Kamera fort, so dass man oft in eine Ecke gedrängt die Übersicht verliert und nachjustieren muss, um überhaupt erkennen zu können, aus welcher Richtung man angegriffen wird. Dazu gesellen sich andere Klassiker schlechten Designs wie unpassende Rücksetzpunkte, durch die man beim Scheitern gerne auch mal eine halbe Stunde wiederholen darf, oder dumme KI, die sich zumindest auf beiden Seiten des Konflikts wiederfindet. So stürmten in einem Treppenhausabschnitt mehrere Feinde seelenruhig an mir vorbei ins Erdgeschoss, nur um anschließend wieder zu mir aufzuschließen. Die bis zu drei Teammitglieder, die Hannah auf ihren Einsätzen begleiten, ballern dagegen zwar permanent aus allen Rohren, erledigen ab und an tatsächlich mal einen Gegner und es lassen sich über den Verbesserungbaum sogar aktive Fähigkeiten für sie freischalten, ihr tatsächlicher Nutzen hält sich aber dennoch in Grenzen und oft genug stehen Sie dumm in der Schusslinie herum. Die Upgrades für die eigene Spielfigur haben ebenfalls kaum merkbaren konkreten Einfluss auf den späteren Spielverlauf. Aus diesen mäßigen Gameplayelementen zimmerte Entwicklerstudio Soleil schließlich eine öde und uninspirierte Struktur, in der sich ohne jegliche Abwechslung endlose Korridore und Gefechtsarenen aneinanderreihen, in die schiere Unmengen der eigentlich nur zwei verschiedenen Prototypen von Widersachern geworfen werden: Soldaten mit Automatikwaffen, die sobald möglich auf Distanz gehen und aus sicherem Abstand das Dauerfeuer eröffnen, und schwertschwingende Shinobis, die uns mit ihren Klingen den Garaus machen wollen. In einzelnen Abschnitten werden die Charaktermodelle zwar großzügig durch Gangster oder rebellierende Arbeiter ersetzt und regelmäßig werden überdies gepanzerte Infantrieeinheiten und Elite-Ninjas in den Mix geworfen, echte Abwechslung sucht man jedoch vergebens, woran selbst die wenigen Bossgegner nichts ändern. Aufgrund der geschäftigen Situationen hatte ich nie das Gefühl, eine hochpräzise Killermaschine zu steuern, die es dank taktischer Überlegenheit und exakter Ausführung mit Heerscharen an Kontrahenten aufnehmen kann, sondern dass unter unvermeidbar erlittenem Schaden lediglich Energiebalken und Heilpacks gegeneinander abgewogen werden. Daher würde es mir nicht einmal im Traum einfallen, mich an einem höheren Schwierigkeitsgrad zu versuchen.

Bei derart schlechten Spielbarkeit dürfte es wenig verwunderlich sein, dass auch die audiovisuelle Präsentation von Wanted Dead nicht gerade überragend ausfällt. Die Charaktermodelle sind dabei noch relativ hübsch anzusehen, und geschwächte Gegner lassen sich mit einem durchaus coolen Finisher im John Wick Stil ausschalten. Der allgemein hohe Gewaltgrad mit abtrennbaren Körperteilen und Blutspritzern, die dauerhaft den Spielfiguren anhaften, dürften dagegen eher zu Playstation 2 Zeiten ein wirklich erwähnenswertes Feature gewesen sein. Stattdessen hätten einige Animationen etwas mehr Arbeit vertragen können, da vor allem beim Aufeinandertreffen von Stahl und Körper die beteiligten Polygonmodelle weiterhin etwas distanziert und unabhängig voneinander zu agieren scheinen. So ist vor allem die als Extrawaffe einsammelbare Kettensäge an Lächerlichkeit kaum zu übertreffen, clippt das Werkzeug doch mehr durch die Widersacher statt glaubwürdige Schnittverletzungen darzustellen.

Ebenso sind die oft etwas dunkel geratenen Umgebungen per se nicht unbedingt hässlich, mit Settings wie Park, Club oder Bürogebäude jedoch alles andere als einfallsreich oder spektakulär und in ähnlicher Form sicherlich auch auf ein bis zwei vorherigen Hardwaregenerationen möglich gewesen. Dabei vollbringen sie zumindest das Kunststück, gleichzeitig leer und verwirrend zu wirken, denn mehr als einmal fand ich mich nach Beendigung einer Gefechtssequenz auf dem Weg wieder, auf dem ich das Areal betreten hatte, da es kaum nennenswerte Orientierungspunkte gibt. Außerdem besteht der lineare Weg der Polizeitruppe durch die Level gerade in Anbetracht der oben beschriebenen Kameraprobleme aus einer fast schon böswillig hohen Anzahl aus engen Räumen.

War die Synchronisation bereits in den Zwischensequenzen zum Stirnrunzeln, sind die Zwischenrufe der Kollegen in den eigentlichen Spielszenen nahezu unerträglich. Wer im Sekundentakt die immer gleichen Sprachsamples „grenade“ und „reinforcements“ hört, wünscht sich schnell, das Abenteuer ausschließlich mit dem stummen Partner Cortez bestreiten zu können. Und während die Jukebox im Hauptquartier überraschend eingängige 80er Pop-Ohrwürmer und Coverversionen von Hits wie „Maniac“ bereithält (teils interpretiert vom niederländischen Model Stefanie Joosten, genau: Silent aus Metal Gear V!!!), wird die Action von bestenfalls akzeptablen Klängen verschiedener Stilrichtungen untermalt, die aber gerade gegen Ende des Spiels aus nervtötenden Dauerschleifen von maximal 10 Sekunden bestehen.

Falls es bis hier hin noch nicht deutlich geworden ist: Wanted Dead ist kein gutes Spiel! In den besten Momenten war ich lediglich gelangweilt, in den schlechtesten aktiv verärgert. Von belanglosen Erkundungen im HQ-Hub abgesehen läuft das Spiel von der ersten Sekunde an nach dem gleichen, langweiligen Schema ab und das unausgegorene Kampf-, Level- und Gegnerdesign erstickt jegliche Form von Spielspaß im Keim. Selbst das vielgescholtene Ninja Gaiden 3 ist um Längen besser, und angesichts sehr viel älterer hochkarätiger Konkurrenztitel aus dem Hause Platinum wie Bayonetta, Vanquish oder Metal Gear Rising muss man sich wirklich fragen, welche Daseinsberechtigung Wanted Dead hat. Einen ernstgemeinten versöhnlichen Aspekt hat das Spiel dann aber doch: Denn neben ungelenken Minispiel-Abklatschen von Karaoke und Kranspielen findet sich auch ein erstaunlich kompetenter 16Bit-Horizontalshooter im Stil eines R-Types.  Hätte man in diesen etwas mehr Arbeit gesteckt und das Ganze für schlankes Geld zum Kauf angeboten, statt Wanted Dead fertigzustellen, wäre die Gamingwelt um einiges besser dran.

 Wie schon in meinem Test zu Escape Academy erwähnt, sind Escape-Rooms und das Videospielkonzept, auf dem sie beruhen, ein Phänomen, das den späten Nullerjahren entstammt, was eigentlich erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass sie eigentlich nur eine komprimierte Spezialform des Point-n-Click-Adventure-Genres sind, das bereit in den 80ern seinen Ursprung fand. Das hat sich 2019 wohl auch Kevin Hanley nebst einem keinen Team bei KHAN Games gedacht, und mit dem clever benannten NEScape! ein Escape-Room Abenteuer für das ursprüngliche Nintendo Entertainment System geschaffen. Wer keine Original-Hardware aus dem Jahr 1983 oder einen entsprechenden Emulator zur Hand hat, kann seit kurzem das Spiel für ca. 5 EUR auch auf Switch oder XBox spielen, wobei der auf original NES-Spiele spezialisierte Publisher 8bit Legit so freundlich war, mich mit einem XBox-One Code zu versorgen. Die Umsetzung für die Microsoft-Konsole enthält dann auch ein paar Hintergrundbilder, um den Bereich außerhalb des in 4:3 Format  gehaltenen Inhalts mit schmückendem Beiwerk zu nutzen, sowie einige leicht zu erfüllende Achivements, schlägt dann aber auch mit (für ein NES-Modul) satten 900 MB zu buche.

NEScape!

Was das Spiel selber angeht, hält sich NEScape getreu des Alters der ursprünglichen Zielplattform auch an klassische Escape-Room-Vorgaben: Ein Raum, eine verschlossene Ausgangstür und vier Wände, die mit allerlei Krimskrams für illustere Rätsel vollgestellt sind. Auch wenn derartige Spiele vorrangig auf eine Bedienung per Maus (oder Touchscreen) ausgelegt sind (und daher das NES-Modul sogar Mausunterstützung bietet), stört mich die Steuerung des Cursors per Controller grundsätzlich nicht, zumal das Spielkonzept sehr einfach ausgelegt ist, jedoch hätte ich mich auch über einige moderne Annehmlichkeiten gefreut, wie beispielsweise die Möglichkeit, interagierbare Bereiche hervorzuheben oder zumindest leichter anzusteuern, statt den Bildschirm detailliert nach Pixeln abzusuchen zu müssen in der Hoffnung, dass sich das Zeigersymbol verändert. Auch kann die Detailansicht eines interessanten Areals nur etwas umständlich über den Bildschirmrand verlassen werden, statt einfach einen zweiten Knopf, den selbst ein NES-Pad besitzt, dafür zu nutzen. Nun mag man diese Beschränkungen durchaus als Hommage an die etwas sperrigen Bedienelemente früher Konsolenabenteuer sowie integralen Bestandteil der Rätsel selber betrachten, doch leider sind diese mitunter ebenfalls von durchwachsener Qualität. Während einige Aufgaben durchaus clever designt sind, beispielsweise wenn man Codesymbole und deren Reihenfolge anhand der Umgebung entschlüsseln muss, kränkeln andere an verschiedensten Symptomen. So konnte ich den bekannten und wenig kreativen Kachel-Schiebe-Puzzels oder Senso-Gedächtnis-Tests noch nie viel abgewinnen, und Rätsel, bei denen Tonhöhen identifiziert werden müssen, setzen für meinen Geschmack zu sehr ein musikalisches Gehör voraus, das vielleicht nicht überall vorhanden ist. Andere Knobelaufgaben von NEScape sind wiederum vielleicht etwas zu ambitioniert entworfen und haben mit den technischen Limitationen der 8Bit-Konsole zu kämpfen. Denn die bunte Pixeloptik in der typischen NES-Farbpalette versprüht mit klarer Optik naturgemäß authentischen Retro-Charme, ist mancherorts dann aber doch zu grob aufgelöst oder verfügt nicht über die Darstellungsmöglichkeiten, um Hinweise oder Lösungsansätze eindeutig zu kennzeichnen. Und auch akustisch mögen kratzige, dahingenuschelte, englische Wortfetzen aus technischer Sicht auf dem Nintendo Entertainment System vielleicht beeindrucken, stellen aber ohne Kontext auch der Sprache mächtige Ohren vor praktisch unlösbare Aufgaben. Eine weitere Herausforderung stellt auch das fipsige Gedudel zu Beginn des Spiels dar, das den leider verwehrten Wunsch aufkommen lässt, zumindest die Musikuntermalung ausschalten zu können. Zwar gibt es später noch etwas erträglichere Stücke, eine Chiptune-Meisterwerk wird mit dem NEScape-Soundtrack aber sicherlich nicht abgeliefert, zumal sich selbst auf der XBox One S mitunter einige Slowdowns einschleichen, die die Beschallung noch mehr in Mitleidenschaft ziehen.

NEScape

Wenigstens tragen die düsteren Tone etwas zur typisch mysteriösen Stimmung des Escape Rooms bei, auf ein konkretes Setting, Überraschungsmomente oder gar eine Hintergrundgeschichte verzichtet NEScape! jedoch komplett. So gibt es weder Informationen zur eigenen Spielfigur noch nachvollziehbare Erklärungen, wie die Rätsel den Raum verändern oder warum es ein Zeitlimit von einer Stunde gibt. Sind nicht alle linear abfolgenden Aufgaben innerhalb der 60 Minuten gelöst, heißt es Game Over und der Ausbruchversuch muss komplett von vorne durchgeführt werden. Nach zwei oder drei Anläufen sollte man aber das Zimmer verlassen und damit zeitgleich NEScape! ein für alle male beendet haben, denn es gibt praktisch keinen Wiederspielwert.

NEScape mag als neues Stück Software für eine vierzig Jahre alte Konsole durchaus bemerkenswert sein. Für sich alleine betrachtet muss es sich jenseits der Retro-Hardware aber mit einer großen Menge vergleichbarer Titel wie der Rusty Lake Serie messen, und bietet dahingehend lediglich solide Durchschnittskost. KHAN Games scheint die etwas grobschlächtigen Grundlagen für ein brandneues Spiele auf Nintendos Heimkonsole geschaffen zu haben, NEScape! hätte meiner Meinung nach noch etwas mehr Feinschliff und ausgearbeiteteres Spieldesign vertragen können. Bleibt zu hoffen, dass diese Aspekte in einem möglichen Nachfolger stärker berücksichtigt werden.