Wie schon in meinem Test zu Escape Academy erwähnt, sind Escape-Rooms und das Videospielkonzept, auf dem sie beruhen, ein Phänomen, das den späten Nullerjahren entstammt, was eigentlich erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass sie eigentlich nur eine komprimierte Spezialform des Point-n-Click-Adventure-Genres sind, das bereit in den 80ern seinen Ursprung fand. Das hat sich 2019 wohl auch Kevin Hanley nebst einem keinen Team bei KHAN Games gedacht, und mit dem clever benannten NEScape! ein Escape-Room Abenteuer für das ursprüngliche Nintendo Entertainment System geschaffen. Wer keine Original-Hardware aus dem Jahr 1983 oder einen entsprechenden Emulator zur Hand hat, kann seit kurzem das Spiel für ca. 5 EUR auch auf Switch oder XBox spielen, wobei der auf original NES-Spiele spezialisierte Publisher 8bit Legit so freundlich war, mich mit einem XBox-One Code zu versorgen. Die Umsetzung für die Microsoft-Konsole enthält dann auch ein paar Hintergrundbilder, um den Bereich außerhalb des in 4:3 Format  gehaltenen Inhalts mit schmückendem Beiwerk zu nutzen, sowie einige leicht zu erfüllende Achivements, schlägt dann aber auch mit (für ein NES-Modul) satten 900 MB zu buche.

NEScape!

Was das Spiel selber angeht, hält sich NEScape getreu des Alters der ursprünglichen Zielplattform auch an klassische Escape-Room-Vorgaben: Ein Raum, eine verschlossene Ausgangstür und vier Wände, die mit allerlei Krimskrams für illustere Rätsel vollgestellt sind. Auch wenn derartige Spiele vorrangig auf eine Bedienung per Maus (oder Touchscreen) ausgelegt sind (und daher das NES-Modul sogar Mausunterstützung bietet), stört mich die Steuerung des Cursors per Controller grundsätzlich nicht, zumal das Spielkonzept sehr einfach ausgelegt ist, jedoch hätte ich mich auch über einige moderne Annehmlichkeiten gefreut, wie beispielsweise die Möglichkeit, interagierbare Bereiche hervorzuheben oder zumindest leichter anzusteuern, statt den Bildschirm detailliert nach Pixeln abzusuchen zu müssen in der Hoffnung, dass sich das Zeigersymbol verändert. Auch kann die Detailansicht eines interessanten Areals nur etwas umständlich über den Bildschirmrand verlassen werden, statt einfach einen zweiten Knopf, den selbst ein NES-Pad besitzt, dafür zu nutzen. Nun mag man diese Beschränkungen durchaus als Hommage an die etwas sperrigen Bedienelemente früher Konsolenabenteuer sowie integralen Bestandteil der Rätsel selber betrachten, doch leider sind diese mitunter ebenfalls von durchwachsener Qualität. Während einige Aufgaben durchaus clever designt sind, beispielsweise wenn man Codesymbole und deren Reihenfolge anhand der Umgebung entschlüsseln muss, kränkeln andere an verschiedensten Symptomen. So konnte ich den bekannten und wenig kreativen Kachel-Schiebe-Puzzels oder Senso-Gedächtnis-Tests noch nie viel abgewinnen, und Rätsel, bei denen Tonhöhen identifiziert werden müssen, setzen für meinen Geschmack zu sehr ein musikalisches Gehör voraus, das vielleicht nicht überall vorhanden ist. Andere Knobelaufgaben von NEScape sind wiederum vielleicht etwas zu ambitioniert entworfen und haben mit den technischen Limitationen der 8Bit-Konsole zu kämpfen. Denn die bunte Pixeloptik in der typischen NES-Farbpalette versprüht mit klarer Optik naturgemäß authentischen Retro-Charme, ist mancherorts dann aber doch zu grob aufgelöst oder verfügt nicht über die Darstellungsmöglichkeiten, um Hinweise oder Lösungsansätze eindeutig zu kennzeichnen. Und auch akustisch mögen kratzige, dahingenuschelte, englische Wortfetzen aus technischer Sicht auf dem Nintendo Entertainment System vielleicht beeindrucken, stellen aber ohne Kontext auch der Sprache mächtige Ohren vor praktisch unlösbare Aufgaben. Eine weitere Herausforderung stellt auch das fipsige Gedudel zu Beginn des Spiels dar, das den leider verwehrten Wunsch aufkommen lässt, zumindest die Musikuntermalung ausschalten zu können. Zwar gibt es später noch etwas erträglichere Stücke, eine Chiptune-Meisterwerk wird mit dem NEScape-Soundtrack aber sicherlich nicht abgeliefert, zumal sich selbst auf der XBox One S mitunter einige Slowdowns einschleichen, die die Beschallung noch mehr in Mitleidenschaft ziehen.

NEScape

Wenigstens tragen die düsteren Tone etwas zur typisch mysteriösen Stimmung des Escape Rooms bei, auf ein konkretes Setting, Überraschungsmomente oder gar eine Hintergrundgeschichte verzichtet NEScape! jedoch komplett. So gibt es weder Informationen zur eigenen Spielfigur noch nachvollziehbare Erklärungen, wie die Rätsel den Raum verändern oder warum es ein Zeitlimit von einer Stunde gibt. Sind nicht alle linear abfolgenden Aufgaben innerhalb der 60 Minuten gelöst, heißt es Game Over und der Ausbruchversuch muss komplett von vorne durchgeführt werden. Nach zwei oder drei Anläufen sollte man aber das Zimmer verlassen und damit zeitgleich NEScape! ein für alle male beendet haben, denn es gibt praktisch keinen Wiederspielwert.

NEScape mag als neues Stück Software für eine vierzig Jahre alte Konsole durchaus bemerkenswert sein. Für sich alleine betrachtet muss es sich jenseits der Retro-Hardware aber mit einer großen Menge vergleichbarer Titel wie der Rusty Lake Serie messen, und bietet dahingehend lediglich solide Durchschnittskost. KHAN Games scheint die etwas grobschlächtigen Grundlagen für ein brandneues Spiele auf Nintendos Heimkonsole geschaffen zu haben, NEScape! hätte meiner Meinung nach noch etwas mehr Feinschliff und ausgearbeiteteres Spieldesign vertragen können. Bleibt zu hoffen, dass diese Aspekte in einem möglichen Nachfolger stärker berücksichtigt werden.

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