Der Retro-Platformer Bat Boy, der am 25.05.2023 für praktisch alle aktuellen System wie PC, Xbox, Playstation und Switch veröffentlicht wurde, ist weder das falsch geschriebene Solo-Spin-Off zum Will-Smith/Lawrence Buddy-Cop-Streifen noch handelt es von den Jugendtagen Bruce Waynes Alter Ego Batman. Stattdessen hat das Spiel, für das mir Publisher X Plus Games freundlicherweise einen Xbox Code hat zukommen lassen, einiges mit einem anderen berühmten Man(n) der Videospielgeschichte zu tun, nämlich Megaman, gilt es doch in beiden Fällen in abgeschlossenen Level Jump’n’Run Passagen zu bestreiten, an deren Schluss ein themenspezifischer, ebenbürtiger Endgegner wartet, von den neue Aktionen erlernt werden können. Ganz abwegig ist der Bezug zu DCs dunklem Comic-Ritter dann aber doch nicht, denn während Protagonist Ryosuke und seine sportbegeisterten Freunde tagsüber regulär die High-School nebst entsprechender Clubs zur körperlichen Ertüchtigung besuchen, wirft sich die famose Fitness-Clique des nächtens in ihre Superheldenkostüme, um mit den athletischen Fähigkeiten ihrer jeweiligen Disziplin das Böse zu bekämpfen. So wird aus dem Baseball-Ass Ryosuke der namensgebende Bat Boy, die passionierte Bodenturnerin wandelt sich zu Starlet Twirl und so weiter. In der für Spiele aus der 8Bit Ära typischen simplen, mit pixeligen Standbildern, kleinen In-Game-Animationen und Dialogboxen aber durchaus humorvoll erzählten Hintergrundstory triff diese Truppe dabei auf den üblen Lord Vicious, der den gesamten Kader bis auf Bat Boy per Gehirnwäsche unter seine Kontrolle bringt und anschließend in seine Heimatdimension Stratoss entführt. Nun ist es an Bat Boy, seine Freunde im Zweikampf zu besiegen und damit von dem Bann zu befreien sowie Lord Vicious und seinen Schergen Einhalt zu gebieten.

Die Einflüsse von Capcoms Megaman-Reihe sind in Bat Boy vom grundsätzlichen Ablauf bis hin zu den teils bildschirmweise scrollenden Umgebungen, in denen bei erneutem Besuch bereits besiegte Gegner wieder auftauchen, klar erkennbar, doch auch andere klassische und moderne Genrevertreter wie Shovel Knight, The Messenger, Ducktales und vielleicht sogar eine Prise Sonic, Mario oder das frühe Castlevania dürften als Inspirationsquelle hergehalten haben. Besonders erwähnenswert ist dabei Ryosuke Baseballschläger, mit dem er nicht nur direkt auf Widersacher eindreschen, sondern auch durch einem gut abgestimmten Schlag feindliche Projektile zurückschicken kann. Bereits dieses Gameplay-Element ist dem Spielspaß extrem zuträglich, ist eine gut implementierte Konter-, Parier- oder sonstige Mechanik, mit der sich gegnerische Angriffe gegen sich selbst richten lassen, in Spielen von Metal Gear Rising: Revengeance bis hin zur DOA Prügelserie immer gerne gesehen. Dass manche Gegner nach dem Kassieren von Prügel durch die Gegend rollen und sich somit arcadetypische, befriedigende Kombo-Ketten auslösen lassen, ist ebenfalls ein gelungener Designkniff. Überdies kann die Keule genutzt werden, um für sich alleine geschleudert oder beim Kontakt mit Gegnern oder Geschossen einen extra Sprungschub zu erhalten. Derart lassen sich dann zum Beispiel Kanonenkugeln oder Feinde nutzen, um eigentlich unüberwindbar scheinende Abgründe zu überqueren oder höhergelegene Plattformen zu erreichen. Etwas unangenehm fällt dabei auf, dass der Bat Boy auch außerhalb des obligatorischen rutschigen Eislevels anscheinend im Nebenfach passionierter Eisläufer ist, denn selbst bei kleineren Bewegungen verfügt der Charakter über ein gewisses Momentum, das ihn noch etwas weiter in die entsprechende Richtung rutschen lässt beziehungsweise dazu verleitet, Steuerungseingaben etwas zu überkompensieren. So habe ich beispielsweise unnötig lang mit einer eigentlich trivialen Sprungpassage verbracht, in der seitlich wehender Wind mit einzuberechnen war, weil mal um mal eine schmale Landezone verpasst wurde. Andere dürften damit aber vermutlich weniger Probleme haben, besonders da die Hüpfabschnitte zwar teils fordernd, aber durchaus fair designt und weitestgehend nicht so bockschwer wie so manch ein Megaman Level sind. Mit gerecht platzierten Checkpunkten, Standardgegner, die bereits nach einem Treffer das zeitliche segnen, dem Verzicht auf eine begrenzte Anzahl von Versuchen und dem netten Feature, dass aufgesammelte Boni auch nach dem Ableben erhalten bleiben, kam somit selten Frustration auf, selbst wenn teils 20, 30 oder mehr Anläufe nötig waren, um eine Stufe letztlich erfolgreich abzuschließen. Dabei ist oftmals eher umsichtiges Vorgehen denn blitzschnelles Reaktionsvermögen gefordert, bis hin zu fast schon kleineren Knobelaufgaben, bei denen man sich überlegen muss, wie man den Bildschirm am besten unbeschadet durchquert. Andererseits sorgen diverse Feinde und Hindernisse durchaus für actionreiche Abschnitte. Da die Levelauswahl über eine sich nach und nach erweiternde Oberweltkarte getroffen wird, ist dabei sichergestellt, dass einerseits der Schwierigkeitsgrad gezielt angezogen werden kann und andererseits dennoch ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit gewährt wird, zumal jede der abwechslungsreichen Spielstufen mit teils eigenen spielerischen Schwerpunkten und vielen kreativen Ideen aufwarten kann.

bat boy Karte

In den vorrangig gegen ehemalige Mitstreitern zu bestehenden Bosskämpfen ist eine behutsame beziehungsweise reagierende Herangehensweise ebenfalls erfolgversprechender als blindes Losstürmen, denn mit einem ganzen Arsenal an verschiedenen Attacken und in der Regel zwei Phasen sind sie wahrlich kein Spaziergang, ein Sieg fühlt sich dann aber um so triumphaler an. Als Belohnung winken zudem neue Fähigkeiten wie ein Greifhaken, die verdeutlichen, warum das Spiel (abgesehen vom fehlenden Absatzmarkt) nicht für „echte“ Retrosysteme entwickelt wurde, ist doch der XBox-Controller bis hin zu den Schultertasten gut mit diesen Sonderaktionen ausgelastet, so das ein simples 2-Button Gamepad hier heillos überfordert wäre. Dennoch ist der Einsatz dieser Upgrades nicht etwa zwingend nötig, um spätere Level abzuschließen, sondern sie bieten vielmehr eine willkommene Erleichterung in brenzligen Situationen oder dienen dazu, auch in bereits besuchten Umgebungen geheime Bereiche zu erreichen und so versteckte Collectables wie Soundtrack-Kassetten, magische Samen oder einfach nur die verteilten Diamanten einzusammeln. Um die Spielbalance dabei nicht allzu sehr aus dem Gleichgewicht zu bringen, ist die Nutzung dieser Spezialbewegungen dementsprechend auf eine zunächst nur drei Anwendungen umfassende Ausdauer-Anzeige beschränkt, die sich aber ebenso wie die Lebensleiste in Shops ausbauen lässt.

Bat Boy bietet damit eine ausgewogene und auch langfristig motivierende Spielmechanik, dargeboten in einer attraktiven Retro-Verpackung, die deutlich Anleihen bei den Konsolen-Titeln der 80er  nimmt. Die Chip-Tune-Stücke haben vielleicht nicht ganz das Zeug zum Allzeit-Ohrwurm anderer 8-Bit Hymnen, klingen jedoch authentisch und passen mit ihren fröhlichen, energiegeladenen Kompositionen hervorragend zum Geschehen.

Gleichermaßen ist die Optik und das bunte Kolorit klar von den Möglichkeiten und der Farbpalette des NES inspiriert, und auch inhaltlich wird zumindest hinsichtlich der Umgebungen mit Themen wie Dschungel, Strand oder eben frostige Eislandschaft auf Altbewährtes zurückgegriffen, das mal mehr, mal weniger zur sportlichen Motiv des jeweiligen finalen Konflikts passt. Ab und an nimmst sich Bat Boy dabei zwar anscheinend die Freiheiten höherer Auflösung, um beispielsweise Texte etwas lesbarer darzustellen oder Schneeflocken sanft über den Schirm rieseln zu lassen, im Großen und Ganzen stimmt aber der hübsche Pixel-Look und vermittelt nostalgische Gefühle. Wie auch die Musikuntermalung kann sich dabei die blockige Grafik nicht unbedingt mit den absoluten Highlights moderner und historischer Klassiker messen, weil zum Beispiel einzelne Figuren gelegentlich etwas „unsauber“ ausgearbeitet erscheinen, doch diese technischen Kritikpunkte macht Bat Boy mit einer Menge Charme wieder wett. Vor allem die in allen Leveln auftreten Pigzies genannten schweinischen Gegner sorgen für Belustigung, wenn sie die Sportart des Abschnitt-Wächters aufgreifen und so beispielsweise Gymnastikbänder schwingend Pirouetten drehen oder in voller American Football Montur die eiförmigen Bälle umherwerfen.

bat boy

Wer sich auch nur im geringsten für diese Art von klassisch inspirierten Spielen interessiert, sollte daher auf jeden Fall einen Blick auf Bat Boy werfen. Der Titel verbindet gekonnt unverfälschtes Spielgefühl und grundsoliden Präsentation der 8Bit Generation mit einigen modernen Annehmlichkeiten, ohne dabei seine Wurzeln zu verleugnen, und lässt mit seinem anspornenden Schwierigkeitsgrad die Zeit wie im Fluge vergehen.

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