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XBox Review: Gun Valkyrie im Test

Auch wenn Microsoft bei relativer Betrachtung zu den jüngsten Vertretern im Gaming-Zirkus gehört, versucht die Firma aus Redmond doch durchaus, ihrem Vermächtnis aus 25 Jahren XBox gerecht zu werden, indem es beispielsweise mittels Abwärtskompatibilität Klassiker, Meilensteine und Geheimtipps aus drei Konsolengenerationen verfügbar macht … und seit dem 15. November 2021 auch Gun Valkyrie, weswegen ich den Titel noch einmal aus der Sammlung hervorgekramt und auf der Xbox One installiert habe.

Als Microsoft beim vorerst im doppelten Wortsinn letzten Update des Kompatibilitäts-Katalog auch dieses Sega-Produkt aus dem Jahr 2002 anführte, war die Verwunderung groß, denn das Spiel für die original XBox taucht eher selten auf Listen der besten Titel oder verborgener Schätzen für die Konsole auf, sondern blieb allenfalls wegen einer ungewöhnlichen Steuerung und des Steampunk-angehauchten Settings in Erinnerung. Diesem zufolge gelang es im Jahr 1835, die Energie des Halleyschen Kometen nutzbar zu machen, was zu einer alternativen Geschichte unter Führung des britischen Empires mit immensem technischen Fortschritt inklusive Besiedelung fremder Sonnensysteme führte. In Gestalt der zwei spielbaren Charaktere Kelly O’Lenmey und Saburouta Mishima der titelgebenden militärischen Gun Valkyrie-Organisation gilt es alsdann auf dem Planeten Tir na Nog einer insektoiden Bedrohung und dem Verschwinden von Dr. Hebble Gate, dem Wissenschaftler hinter der Entdeckung der Halleyschen Energie, nachzugehen. Zwar werden dementsprechend im Verlauf des eigentlichen Spiels einige Berichte und Dossiers freigeschaltet, letztendlich ist die Hintergrundgeschichte voller großspurig klingender Namen jedoch lediglich eine hauchdünne, weder spannende noch relevante Fassade für ein 3rd-Person-Action-Spiel mit in sich abgeschlossenen, voneinander unabhängigen Missionen, die aus einem Menü gewählt werden. Sie erstrecken sich in der Regel über eine Handvoll mal schlauchartig, mal etwas offener oder horizontal ausgelegter Arenen und beschränken sich üblicherweise darauf, auf alles zu Ballern, was da kreucht und fleucht, wobei die Gegner eher durch ihre Anzahl denn durch herausforderndes Verhalten auffallen. Überdies sorgen häufig anzutreffende, besonders fette Muttertiere/ Nester bis zu ihrer Zerstörung für stetigen Nachschub an Kanonenfutter. Diese simple Struktur offenbart dann auch, dass Gun Valkyie bereits für Segas letzte eigene Konsole, die Dreamcast, in Entwicklung war, bevor das Projekt zur XBox wechselte. Vielleicht auch wegen dieser etwas holprigen Entwicklungsgeschichte könnte das Spiel in Sachen Bedienbarkeit, Missions- und Leveldesign geradezu als Lehrbuchbeispiel der Dinge dienen, die man unter modernen Aspekten zwingend vermeiden sollte. Das reicht von Kleinigkeiten wie Gegner, die nicht direkt als solche zu erkennen sind oder Feinde, die einen aus dem Off zielgenau mit Projektilen beschießen bis hin zur fehlenden Einsatzmarkierungen, die dazu führen, dass man planlos in der Gegend umherirrt und rätselt, ob man sich auf dem vorgesehenen Pfad befindet oder einen Bug in der Levelarchitektur ausnutzt. Leider nur wenig hilfreich ist dabei die Karte, die nur sehr grob die aktuelle Umgebung darstellt und zudem noch auf in ein separat aufzurufendes Menü verbannt wurde. Extrem ärgerlich ist auch das fehlen jeglicher Checkpunkte, gerade in Missionen mit Zeitlimit, die das „säubern“ der Umgebung zur Aufgabe haben. Hat man irgendwo vor Ablauf eines 30 Minuten Timers einen verirrten Feind übersehen, war die letzte halbe Stunde für die Katz und der Level kann komplett von vorne angefangen werden. Jeglicher Fortschritt ist ebenso praktisch verloren, wenn man in einem horizontal ausgerichteten Level eine Plattform verpasst und dann komplett zu Boden stürzt. Naarrgggghhh. Nicht ganz unbeteiligt an derartigen Frustmomenten ist die eingangs erwähnte Steuerung. Als eigentlich besonderes Feature verfügen die Spielfiguren über eine erhöhte Mobilität aufgrund ihrer Mech-Suits mit Düsen, die Mehrfachsprünge, Dashes in alle Richtungen und langsames Schweben erlauben. Begrenzt durch eine sich schnell leerende Schubanzeige sorgt der linke Trigger für Auftrieb und ersetzt somit quasi eine Sprung-Taste, während für den effizienteren Jet-Sprint in der waagerechten der linke Stick in die entsprechende Richtung eingeklickt werden muss. Und auch, denn dieses „klickbasierte“ Steuerungsschema (vielleicht auch wegen des „besseren“ XBox One Contollers) nicht ganz so unbedienbar ist wie von einigen zum Erscheinungszeitpunkt von Gun Valkyrie behauptet, ist es doch zumindest merkwürdig, gewöhnungsbedürftig und außerdem unnötig kompliziert, vor allem da die eigentlichen Knöpfe des Controller fast schon verschwenderisch für eigentlich belanglose Dinge wie Durchwechseln der wenigen Waffen genutzt werden. Doch auch bei der grundsätzlichen Steuerung geht das Spiel eigene Wege, und das, obwohl es aus einer Zeit stammt, in der sich die noch heutzutage üblichen Standards etabliert haben. Denn anstatt mit dem rechten Stick die Kamera relativ frei zu bewegen und die Spielfigur stets in die Richtung laufen zu lassen, in die man blickt, dient dieser Steuerknüppel dazu, das markant sichtbare Fadenkreuz über den Bildschirm zu bewegen, wodurch man nur sehr begrenzt nach rechts, links, oben oder unten bezogen auf die Charakterausrichtung schauen kann. Will man stattdessen beispielsweise in einen Tunnel abbiegen, müssen Kelly oder Saburouta mit linken Stick in diese Richtung gedreht werden. Damit das etwas schwammig zu steuernde Fadenkreuz nicht zu noch mehr Ungemach führt, verfügt die Standardwaffe über eine großzügige halbautomatische Zielerfassung und kann entsprechend ausgebaut bei gehaltener Feuertaste in sehr befriedigender Weise gleich mehrere Gegner aufs Korn nehmen. Die Ähnlichkeit zum Zielsystem bekannter Rail-Shooter wie der Panzer Dragoon Serie mag dabei nicht von ungefähr kommen, stammt doch Panzer Dragoon Orta aus dem gleichen Jahr ebenfalls von Entwickler Smilebit. Zudem scheint es ein zumindest ansatzweise adäquater Ersatz für das eigentlich für die Dreamcast vorgesehene Kontrollschema zu sein, das den vermutlich noch umständlicheren gleichzeitigen Einsatz von Controller und Lightgun vorsah. Doch auch so verzettelt sich die Steuerung zwischen Bewegen und Ballern, so dass keiner der beiden Aspekte wirklich dynamisch oder auf der Höhe der Zeit wäre. Auch die wenigen Elemente, die dem Spiel etwas mehr Tiefe verleihen sollen, wie die alternativ einsetzbare Gatling-Gun, ein Greifhaken, der an fest vorgegebenen Punkten zur Anwendung kommt oder die sehr begrenzten Upgrade-Möglichkeiten der Ausrüstung, können daran kaum etwas ändern.

Grafisch war ich dagegen zunächst überrascht, dass sich dieses immerhin 20 Jahre alte Spiel nicht völlig unansehnlich und veraltet präsentiert, vor allem wenn man sich die optische Entwicklung im Gamingbereich zwischen 1982 und 2002 vor Augen hält. Die modernen Hardware steuert Breitbildformat und hohe Auflösung bei, und flüssig spielbar war Gun Valkyrie bereits bei Erscheinen. Doch vor allem die farbenfrohe Szenerie lässt so manch anderen Titel wortwörtlich blass aussehen. Mit prominent eingesetzten Wasser-, Glanz-und Spiegel-Effekten und einigen feingliedrigen Strukturen, die man heutzutage in derartiger Form nur selten finden, demonstrierte die XBox vor zwei Dekaden ihre grafische Vormachtstellung, während die Spielfiguren im typischen, etwas puppenhaften, aber noch immer ansehnlichen Stil japanischer Videospiel rund um die Jahrtausendwende gehalten sind. Doch bei näherem Hinsehen offenbart sich Gun Valkyrie als Titel der Launch-Phase Microsofts erster Konsole. Insbesondere lassen die sich in den Missionen wiederholenden Umgebungen wie Innenräume der Schluchten einiges an Abwechslung vermissen und wirken größtenteils leer und gleichartig. Auch die Gegnermodelle sind oftmals schlicht und unspektakulär gehalten, zerplatzen aber zumindest ansehnlich und dürften in Teilen an die Bugs aus Starship Trooper angelehnt sein. Und trotz einiger mechanisch-industrieller Designs und Art Deco Elemente hat Gun Valkyrie weniger Steampunk-Anleihen oder anderweitigen individuellen Charakter als erhofft. Demzufolge setzt sich auch der Sound aus typisch treibender Elektro-Musik der Nuller-Jahre und einigen merkwürdigen Stücken wie einer Spieluhr-ähnlichen Melodie zusammen.

Bei all dieser Kritik ist Gun Valkyrie bei weitem kein Totalausfall. Vielmehr ist es ein technisch durchaus kompetent umgesetzter, letztlich aber dann doch spielerisch nur durchschnittlicher Actiontitel mit vielleicht einigen ambitionierten Ideen, aber auch vielen problematischen Designentscheidungen. Mit Spielen wie Panzer Dragoon Orta veröffentlichte Sega schon auf der XBox kurze Zeit später ein besseres Spiel, während Titel wie Vanquish auf der nachfolgenden Hardwaregeneration zeigten, wie die Vision eines kinetischen 3rd-Person-Shooters idealerweise umzusetzen ist. Somit gibt es meiner Meinung nach im Jahr 2022 nur wenige Gründe, sich mit Gun Valkyrie auseinanderzusetzen.

SNES / Amiga Review: Push Over (1992)

Auch wenn klassische Genrebezeichnungen heutzutage für die Kategorisierung moderner Computer- und Videospiele einiges an Relevanz verloren haben, können sie doch durchaus hilfreich sein, um grundlegende Konzepte und Mechaniken zu beschreiben. Das Mischgenre der Puzzle-Plattformer beschriebt zum Beispiel in der Regel reaktions- oder geschicklichkeitsbasierte Hüpfspiele, bei denen der Fortschritt gelegentlich durch kleine Logikherausforderungen wie Schalterrätsel durchbrochen wird. Nach dieser Definition könnte Push Over von Ocean Softwaew aus dem Jahr 1992 als früher, wenn nicht gar einziger Vertreter des Genres der Plattform-Puzzler angesehen werden. Denn anders, als es Screenshots vielleicht vermuten lassen, stehen bei diesem Spiel weniger actionreiche Sprungpassagen als knallharte Knobeleien im Vordergrund, bei denen Dominosteine so angeordnet werden müssen, dass Sie in einer einzigen Kettenreaktion fallen. Wie sehr sich der Titel von üblichen Jump’n’Runs unterscheidet, merkt man spätestens daran, dass Ameisen-Protagonist G.I. Ant keine Sprünge ausführen kann, um sich von Plattform zu Plattform zu bewegen.

Da Pushover mit der Beschränkung des Geschehens auf einen einzelnen Bildschirm, einem cleveren, leicht zu verstehenden Regelwerk und einigen albernen Wortspielen gleich mehrere meiner Vorlieben erfüllt, findet sich das Spiel dann auch gleich zweifach in meiner Sammlung. Zum einen als Version für den Commodore Amiga, die zeitnah zum Erscheinungstermin gekauft wurde, zum anderen als Modul für das Supernintendo, das sehr viel später erstanden wurde. Die Unterschiede bestehen dabei weniger in der Grafik oder dem Spielablauf, sondern vielmehr dem Setting. Die Konsolenversion startet relativ unvermittelt und suggeriert dank uniformiertem „Auftraggeber“ einen militärischen Hintergrund, während auf dem Heimcomputer für die Kooperation mit der britischen Snack-Marke Quavers ein Intro-Cartoon spendiert wurde, in dem Comichund und Firmenmaskotchen Collin Curly seine geliebten Chipstüten verliert, die es wiederzufinden gilt. Und so müsste ich irgendwo sogar noch einen Rabatt-Coupon für eine Packung der beworbenen Knabberei herumliegen haben. Doch ob nun mit oder ohne Verweis auf köstliche Kartoffel-Kringel, ist das Gameplay in beiden Versionen identisch und noch immer über jeden Zweifel erhaben. In 100 Spielstufen, die jeweils komplett auf den Monitor beziehungsweise Fernsehschirm passen, steuert man den eingangs erwähnten Ameisenheld über Leitern und Plattformen und arrangiert dort platzierten Quader so um, dass im Anschluss ein einziger Stupser ausreicht, sie alle der Reihe nach zu Fall zu bringen, wobei der sogenannte Türstein als letztes Kippen muss, um den Levelausgang zu öffnen. Was zunächst recht simpel kling, wird zunehmend durch Spezialsteine und die Levelarchitektur herausfordernder, zumal einem ein teils knackiges Zeitlimit im Nacken sitzt. Dabei werden die besonderen Eigenschaften der Blöcke wie Tumbler, die sich voran bewegen, bis sie auf ein Hindernis stoßen, oder Explosion- und Brückenssteine, die Plattformen zerstören oder verbinden, in den frühen Szenarien behutsam eingeführt. Und hat man einmal vergessen, welche Klötzchen wie gekennzeichnet sind, kann man dieses bequem im Pausenbildschirm nachsehen, der auch verhindert, dass man mogelt und bei gestoppter Zeit an einer Lösungsstrategie arbeitet. Sorgt die grundsätzliche Positionierung der Dominosteine bereits für rauchende Köpfe, gewinnen die Rätsel durch die Steuerung einer Spielfigur, die die Umsortierung durchführen muss, noch einmal einiges an Tiefe. Schließlich reicht es nicht, die Kettenreaktion korrekt auszuführen, es muss auch bedacht werden, dass der Ausgang erreicht werden muss. Dazu muss man schon mal zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle sein, wenn ein Stein einen neuen Weg öffnet, neue Arrangements vornehmen, während die Reaktion bereits im Gange ist oder vorsichtig bedenken, welche Aktionen in welcher Reihenfolge ausgeführt werden, da man höhere Gebiete nur über Leitern erreichen kann, und das zu steuernde Krabbeltierchen keine großen Stürze übersteht. Auf diese Weise arbeitet man quasi an zwei Puzzlelösungen auf einmal: Zum einen am korrekten Aufbau der Dominosteine, zum anderen am zielführenden Weg durch den Level.

In Sachen Präsentation war Push Over bereits von gut 30 Jahren nicht sonderlich spektakulär, wobei zu bedenken ist, dass Knobelspiele im allgemeinen selten im technisch beeindruckendem Gewand daherkommen, ist doch eine übersichtliche Darstellung oberstes Gebot. Dementsprechend können dank der farbenfrohen Comicgrafik spielrelevante Elemente deutlich ausgemacht werden, während schmückendes Beiwerk die Level aufhübscht und so die Umgebungen reeller und weniger abstrakt erscheinen lässt in anderen Denkspielen. Mit 9 verschiedenen Themenwelten wie Fabrik, Dschungel oder Weltraum wird zudem hinreichend Abwechslung geboten, bevor die einzelnen Szenarien anfangen, optisch zu langweilen. Auch die fröhliche Musikuntermalung mag vielleicht keine hitverdächtigen Melodien enthalten, die in die Annalen der Videospielgeschichte eingehen, begleiten aber die Knobelei angenehm im Hintergrund und hält im Titelbildschirm trotz etwas plärrender Darbietung auf dem SNES Ohrwurm-Qualitäten bereit. Witzige Soundeffekte und keine Sprachsamples unterstreichen darüber hinaus den cartoonartigen Charakter des Spiels. Lediglich die Steuerung trübt etwas das Gesamtbild. Grundsätzlich bewegt sich G.I.Ant blockweise, womit sich die Spielsteine ohne Probleme präzise aufnehmen und abstellen lassen, dennoch bedarf es einiger Eingewöhnungszeit an die ungewohnte und etwas träge Art der Fortbewegung. Und während auf dem Amiga der einzige Feuerknopf etwas überlastet ist, wurden auf der Nintendokonsole unnötigerweise gleich zwei Tasten für das Umwerfen eines Steins belegt, je nachdem, ob man links oder rechts von ihm steht. Doch diese Kleinigkeiten stellen selten ein Problem dar, zumal für die richtige Lösung selten mehr als eine Minute benötigt wird und die Level bei Fehlversuchen ziemlich schnell neu starten, was auch das Ticket-System für Lösungen mit Zeitüberschreitungen recht überflüssig macht. Zwischen den einzelnen Abschnitten wird ein Bildschirm mit dem Zahlencode der nächsten Aufgabe eingeblendet, was den Spielfluss zwar etwas ausbremst, dank dessen aber auch Jahrzehnte später systemübergreifend ein Spiel fortgesetzt werden kann. Dabei beginnt man Angesichts der clever designten Rätsel gerne auch mal komplett von vorne. 1993 folgte mit One Step beyond ein Quasi-Nachfolger, der auf eine gänzlich neue Rätsellogik setzte und Collin zum Hauptdarsteller machte. In Sachen Gameplay konnte der zweite Teil jedoch seinem Vorgänger nicht ganz das Wasser reichen, während Push Over dank seines zeitlosen Designs auch drei Dekaden nach seinem Erscheinen erstklassigen Spielspaß bietet. Dass der Titel dennoch weder damals die Beachtung erhalten hat, die er meiner Meinung nach verdient hätte, noch bei aktuellen Diskussionen rund um die besten Spiele der 16-Bit Generation ausreichend Erwähnung findet, könnte eventuell dann doch eben dem Genre geschuldet sein, schließlich bekommen auf den „großen“ Systemen seit jeher Knobeleien weniger Aufmerksamkeit als beispielsweise technisch beeindruckende Actiontitel oder storylastige Adventures. Dementsprechend ist es auch um die Aussichten, jemals eine moderne Neuauflage von Pushover zu Gesicht zu bekommen, schlecht bestellt, insbesondere, da der Titel inzwischen als Abandonware gilt. Vor einigen Jahren hätte ich mir noch eine Version für den 3DS vorstellen können, zumal den Diorama-gleichen Leveln eine dreidimensionale Aufbereitung gut zu Gesicht gestanden hätte und Puzzelspiele auf Handhelds schon immer einen bessern Stand hatten. Doch mit Nintendos letztem „echten“ Handheld dürfte auch insgesamt das Zeitalter der dedizierten portablen Konsolen im Kleinformat und der mit ihnen in Verbindung gebrachten Spiele vorüber sein. Wenigsten hat bereits 2009 Indieentwickler IshiSoft im Rahmen einer kostenlose Fanumsetzung eine auf modernen Windows-PCs lauffähige Version mit dezent aufpolierter Pixelgrafik und einem wie von mir für viele Spiele geforderten Leveleditor erstellt. Hoffentlich trägt diese (ebenso wie dieser Retro-Test) dazu bei, das Andenken an Push Over als einen der besten Plattformpuzzler aller Zeiten aufrecht zu halten.

Test: JYSK Gamingstuhl HYRUP

Früher war auch nicht alles besser, als Twix noch Raider und JYSK noch dänisches Bettenlager hieß. Letztere Neubenennung ist noch gar nicht so lange her und dürfte wohl aus Marketing-Gründen gesehen sein, um dem günstigen Deko- und Einrichtungshaus ein jüngeres und moderneres Image im Stile einer anderen skandinavischen Möbelkette mit vier Buchstaben zu bescheren. „Meine Oma geht ins dänische Bettenlager, ich gehe zu Jysk“. In diesem Zuge wurde auch mit massiven Rabatten geworben, wobei der Gaming Chair Hyrup auch zum regulären Preis von 179 EUR eher in das Segment der günstigere Büro-Möbel einzuordnen wäre. Der Unterschied zwischen den Begriffe „Gaming-Stuhl“ und „Chefsessel“ scheint dabei je nach Anbieter fließend zu sein und vor allem davon abhängig, wie sehr der Stuhle einem futuristischen Rennsitz nachempfunden und wie viel knallig rotes Material verbaut wurde. Da ich keine 16 Jahre mehr bin, kommt es mir daher sehr entgegen, dass trotz der Betitelung als „Gamingchair Hyrup“ der Stuhl in zurückhaltender Form gestaltet ist und lediglich über rote Ziernähte verfügt, so dass er problemlos auch als Bürosessel Hyrup für das gelegentliche Homeoffice durchgeht. Meine Anforderungen an einen Bürostuhl mit klappbaren Armlehnen statt fest installierter Auflagen erfüllt Hyrup ebenfalls mit Bravur, denn mit den an mattes Metall erinnernden Kunststoffelementen, die sich auch in Teilen des Fußes für die fünf Rollen wiederfinden, wird nicht nur ein ein optischer Akzent gesetzt, sondern sie wirken auch trotz des Materials erstaunlich robust, stabil und massiv. Vor allem für die seitlichen Teile, an denen sich die gepolsterten Armauflagen befinden, ist dieses auch nötig, müssen Sie doch im Eigenbau mit Sitzfläche und Rückenlehne verbunden werden und halten somit quasi den gesamten Bürostuhl zusammen. Zum Glück wird das benötigte Werkzeug in Form eines Sechskantschlüssel gleich mitgeliefert, zudem sind die benötigten Schrauben, Abdeckungen und Unterlegscheiben geradezu narrensicher verpackt und beschriftet. Und dennoch erfordert der Zusammenbau des Gamingchairs Hyrup etwas mehr Zeit und Kraft, als ich anfänglich erwartet habe, vor allem, da Schrauben und Bohrlöcher nicht einfach zusammenpassen. Außerdem schwächelt der Chefsessel ein wenig an genau den Stellen, auf die es bei einem guten Stuhl ankommt, nämlich der Polsterung. Das äußert sich bereits in der „Aussparung“ in der Rückenlehne, denn nur hier wird billig wirkendes, schwarz glänzendes Plastik als Verblendung genutzt. Natürlich kann man in der Preisklasse auch kein Echtleder erwarten, doch qualitativ lässt auch das Kunstleder Luft nach oben und wirkt trotz ordentlicher Verarbeitung ein wenig dünn, so dass zu hoffen bleibt, dass sich das Material nicht schnell durchscheuert oder sonst wie reißt. Da ich es außerdem lieber etwas härter mag (Hihi, pubertäres Gekicher, wobei … habe ich nicht oben gesagt, dass ich keine 16 mehr bin?), empfinde ich die Polsterung, wenn auch durchaus bequem, als fast schon etwas zu weich. Darüber hinaus muss ich mich wohl erst an die neue Sitzsituation und die gebogene Rückenlehne gewöhnen, denn viele Individualisierungsmöglichkeiten gibt es nicht. Wie zu erwarten verfügt der Gamingsessel Hyrup zumindest über die Basisfunktionen eines Bürostuhls und lässt sich nicht nur drehen und in der Höhe verstellen, sondern bei Bedarf auch nach hinten wippen. Das bedeutet aber im Gegenzug auch, dass selbst bei fixiertem Sitz die Arretierung etwas Spiel hat und der Stuhl somit dauerhaft leichtes Schaukeln erlaubt. Auch die Höhe der Rückenlehne, die größenbedingt etwas unterhalb des Hinterkopfs endet, ist nichts Halbes und nichts Ganzes.

Trotz diverser kleinerer Kritikpunkte ist der Gamingsessel Hyrup damit vor allem zu einem günstigen Preis ein zumindest solider Bürostuhl ohne viel Schnickschnack.

UPDATE: Anscheinend hat JYSK den Gamingchair Hyrup in den Gamingchair Idom umbenannt, denn im Shop ist kein Stuhl namens Hyrup mehr zu finden und zumindest optisch gleich sich Hyrup und Idom doch sehr.

Obwohl in den 80ern aufgewachsen und eigentlich empfänglich für entsprechende cineastische Nostalgie, sind die (mittleren) Rocky-Filmen relativ spurlos an mir vorbeigegangen. Zwar habe ich sicherlich irgendwann mal einige Teile der Filmreihe, die 1976 ihren Anfang fand, gesehen, und durch kulturelle Osmose vor allem die von Mister T und Dolph Lundgren verkörperten Gegner aus Teil III und IV nebst markanter Erkennungssprüchen wie „I pitty the fool“ oder „AAAAAADRIAAAAANNNNNN“ verinnerlicht, doch ansonsten kann ich mit den Filmen wohl auch aufgrund meiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Boxsport wenig anfangen. Dementsprechend blieb ich vom kurzen, durch Sportler wie Henry Maske oder die Klitschko-Brüder entfachten Box-Hype rund um die Jahrtausendwende genau so verschont wie von der Begeisterung für die „Creed“ betitelten Fortsetzungen der Rocky-Reihe von 2015 und 2018, die die Box-Saga in der nächsten Generation weitererzählen. Und auch im Videospielbereich ziehe ich bei 1 gegen 1 Prüglern das oftmals etwas phantastisch angehauchte östliche Martial Arts Setting dem Box- oder Wrestling-Metier vor. Ausnahmen von dieser Regel bildeten bisher die Punchout- und vor allem die Ready-2-Rumble – Reihe auf Dreamcast, die sich mit ihrer übertriebenen Inszenierung und schillernden Charakteren von den bodenständigen Box-Wurzeln entfernten und tief in arcade-lastige Gefilde vorwagten. Und hier schließt sich der Kreis, denn als ich einen ersten Trailer von Big Rumble Boxing: Creed Champions! sah, einem Boxspiel mit offizieller Rocky/Creed-Lizenz, fühlte ich mich sofort an R2R-Boxing erinnert. Für weitere Recherche steuerte Entwickler Survios, der sich auf Spiele mit TV- oder Filmbasis spezialisiert zu haben scheint, einen Code für XBox One bei, doch das Spiel erscheint am 03.09. auch für andere Plattformen wie Playstation, Switch und PC für ca. 40 Euro.

Big Rumble Boxing: Creed Champions!

Ehrlich gesagt sorgt dieser Erscheinungstermin etwas für Verwunderung, hätte ich in Anbetracht der großen Lizenz doch eine medienübergreifende Bewerbung beispielsweise des dritten Creed-Films erwartet, der aber anscheinend erst 2022 in die Kinos kommt.
Ungeachtet dessen entpuppt sich Big Rumble Boxing: Creed Champions! als grundsolides, leicht zugängliches Kampfspiel, jedoch ohne besonders hervorstechende Merkmale.
Bereits das schlanke Hauptmenü weist lediglich die Optionen Arcade und Versus als echte Spielmodi aus. Eine Online-Anbindung fehlt zwar, doch wenigstens können die einzelnen Kämpfe in der Versus-Variante zu zweit oder gegen die CPU bestritten werden. Der Arcade-Modus hätte dagegen auch gut Story benannt werden können, erzählt er doch den Werdegang eines jeden der 20 wählbaren Charaktere. Zehn von diesen Sportler sind zu Beginn jedoch gesperrt und müssen erst durch Vervollständigung der Geschichten anderer Boxer oder einem rudimentären Fortschrittssystem in der Versus-Variante freigeschaltet werden. Als notorischen Solo-Spieler erinnert mich das nicht nur angenehm an den Spielaufbau vergangener Tage, sondern ist für mich auch hinreichende Motivation, mich zumindest etwas länger mit dem Titel zu beschäftigen. Als meine erste Kämpfer-Wahl traditionsbewusst auf Rocky Balboa fiel, staunte ich nicht schlecht, als mir zunächst zahlreiche Dialogboxen und Charakterprofile im Stile einer Visual Novel präsentiert wurden, (inklusive gegrunzter „ha“ und „hmmm“ Laute, die über die eingesparte Komplettvertonung hinwegtäuschen sollen) gefolgt von einigen Trainings-Minispielchen, in denen beispielsweise rhythmisch die Schulter-Trigger gedrückt oder unter Zeitdruck Tastenkombinationen nachgeahmt werden müssen, während man auf tiefgefrorene Schweinehälften einprügelt. Derartige Intermezzi sind zum Glück selten, fallen nicht negativ auf und dienen tatsächlich der Auflockerung der Story. Die sind nämlich ähnlich der Handlung eines Pornostreifens leider nur eine Reihe von schlecht geschriebenen Vorwänden für den folgenden körperlichen Einsatz, so dass ich mich relativ schnell gelangweilt durch die Texte klicke, um zu den Kämpfen zu gelangen.

Big Rumble Boxing: Creed Champions!

Dort greift Big Rumble Boxing: Creed Champions! auf eine relativ einfache Steuerung zurück, die mich etwas an eine unspektakulärer inszenierte Variante des Kampfsystem der Naruto Ninja Storm Spielen von CyberConnect2 erinnern. Durch wiederholtes Drücken des X-Knopfs -teils in Kombination mit den Richtungstasten- lassen sich einfache Schlag-Folgen ausführen, die bei Bedarf mit einem auch einzeln anwendbaren kraftvollen Hieb abgeschlossen werden können. Zwar unterteilen sich die Athleten in Klassen wie flinke Schwärmer oder Schläger und reagieren mit etwas unterschiedlichen Aktionen auf die Eingaben, steuern sich aber dennoch allgemein ziemlich ähnlich, zumal das Repertoire an Haken, Schwingern und Uppercuts recht überschaubar ist und jederzeit im Optionsmenü eingesehen werden kann. Weitere Elemente wie ein Klammer-Punch, unblockbare Angriffe, Status wie Benommenheit und eine Superleiste, die gefüllt einen verheerenden, in einer einer kleinen Videosequenz präsentierte Attacke auslösen kann, ergänzen die offensiven Möglichkeiten zu hinreichender Komplexität, lassen jedoch wirklichen Tiefgang vermissen. Zur Verteidigung können sich die Figuren wie für 3D-Fighter üblich nicht nur nach links und rechts, sondern auch nach vorne und hinten bewegen und so – wahlweise auch per flinkem B-Button-Dash – etwas Platz zwischen sich und ihrem Kontrahenten schaffen oder einer Geraden ausweichen. Der Block per rechter Schultertaste stellt dagegen die etwas sichere Art der Defensive dar, die zwar durch eine eigene, sich regenerierende Energieleiste begrenzt sein sollte und auch das Bewegen verhindert, aber dennoch nur selten echte strategische Überlegungen nötig macht. Interessant ist vielmehr die Möglichkeit, durch einen perfekt abgestimmten Block kurz vorm Treffen eines generischen Schlags diesem automatisch auszuweichen und einen Konter anzubringen. Um dieses Manöver jedoch zuverlässig ausführen zu können oder Feinheiten zu ergründen vermisse ich jedoch tatsächlich so etwas wie ein Tutorial, dass mir die Konzepte interaktiv darlegt, statt sie mit in reiner Textform in der Anleitung zu präsentieren. So kann auch reines Button- und Block-Gemashe zielführend sein, zumal das Einstecken von Schlägen getreu dem Vorbild durchaus gewollt zu sein scheint. Recht gut hat mir in diesem Zusammenhang dann auch die Abbildung des strukturellen Aufbaus eines Boxkampfs gefallen, mit dem sich das Spiel von anderen reinen Kampfspielen unterscheidet. Denn wie zu erwarten wird auch in Big Rumble Boxing: Creed Champions! nicht um Punkte gekämpft, sondern der Sieger ausschließlich über einen KO bestimmt. Doch statt einfacher „Best of 3“ Kämpfen mit stets neu aufgefüllten Energieleisten ist eine leere Gesundheitsanzeige nicht wirklich mit dem Verlieren eines Durchgangs gleichzusetzen. Vielmehr geht der angeschlagene Kämpfer zu Boden und wird angezählt, kann sich aber durch stets schwerer werdendes Hämmern auf X wieder aufrappeln, während sich der Lebensbalken des Gegenübers etwas füllt. Da beide Kontrahenten auch zwischen den standardmäßig 60 Sekunden andauernden Runden geheilt werden, ist hier echtes Taktieren möglich. Soll ich beispielsweise aggressiv vorgehen und versuchen, den Gegner per Superschlag noch diese Runde auf die Matte zu schicken, oder doch lieber auf Distanz gehen, um diese mächtige Option und die eigene angeschlagene Gesundheit über die Glocke zu retten?
Anders als in den Versus-Kämpfen lassen sich im Arcade-Modus leider nicht die Parameter für Rundenanzahl, -dauer und KO-Anfälligkeit einstellen, wodurch sich die Wettkämpfe etwas ziehen können, da das Gegenüber drei- bis viermal auf die Matte geschickt werden muss, bis es dort auch ausgeknockt liegen bleibt. Das ist vor allem ärgerlich, da gefühlt die KI stark schwankt und so einige Gegner selbst auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade eine Herausforderung darstellen.
Wenigstens wird der Schlagabtausch dabei hübsch präsentiert. Auch im angedeuteten, farbenfrohen Comic- beziehungsweise Action-Figur-Look sind die Modelle ihren Leinwand-Darstellern wie Sylvester Stallone oder Michael B. Jordan gut nachempfunden, detailliert gestaltet und mit netten Effekten wie glitzerndem Schweiß versehen, so dass ich ganz neidisch auf den ein oder andere Waschbrettbauch oder Bizeps bin. Da der Rocky-Kanon trotz immerhin acht Filmen vermutlich nicht ausreichend Vorlagen für einen 20 Personen-Kader liefern konnte, wurde dieser mit Kreationen aufgestockt, die sich genretypisch bei nationaler Stereotypen wie dem rothaarigen Iren, drahtigen Mexikaner oder bärtigen „Wikinger“ bedienen, sich aber für meinen Geschmack noch im Rahmen des vertretbaren bewegen. Zudem würde ich davon auszugehen, das das Entwicklerstudio an durch die Lizenz vorgegebenen Restriktionen gestoßen ist. Schließlich die Filme in der realen Welt angesiedelte Sportdramen. Daher dürften allzu exotische Widersacher wie grünhäutige Dschungelbewohner mit Elektrofähigkeiten, indische Fakirboxer mit Gummiarmen oder gemischte Kämpfe gegen Boxerinnen Tabu gewesen sein. Gleiches gilt wohl auch für Kostüme und Arenen. Als reguläre Wettkämpfe ausgetragen sind die meisten Kämpfer lediglich mit den typischen Boxershorts(?), bekleidet. Straßenkleidung bildet da schon die exotische Ausnahme, und die freispielbaren Skins stellen lediglich Farbvarianten dieser Kleidung dar. Einen Fight gegen ein gealtertes Rocky-Modell oder einen mit Goldketten behangenen Mr. T sucht man ebenso vergeblich wie eine all zu extravagante Umgebung. Denn die sind ebenfalls größtenteils klassische Box-Ringe, die in kleinen Trainingshallen oder größeren Veranstaltungsälen platziert sind. Im Rahmen der Möglichkeiten sind diese Umgebungen trotzdem ausreichend abwechslungsreich. Der Ring in der Wüste Nevadas steht beispielsweise unter freiem Himmel, während das nächtliche Hinterhof-Setting mit der Besonderheit aufwarten kann, dass hier die eng gespannten Begrenzungsseile entfallen. Zusammen mit den flüssigen Bewegungen, die nur in Einzelfällen wie einem Schlag in den Rücken etwas merkwürdig wirken, wird so ein stimmiges Bild erzeugt. Man merkt jedoch auch, dass sich viele Charaktere Animationen teilen, und technisch wäre der Titel so oder so ähnlich sicher auch auf einer XBox 360 möglich gewesen wäre. Das soll keineswegs herabwürdigend gemeint sein, sondern dürfte vielmehr dem spielhallenkompatiblen, schnell zugänglichen Charakter des Spiels geschuldet sein. Komplett überzeugen kann die Präsentation unter diesem Aspekt dann aber doch nicht und stellt vor allem unter Beweis, wie wichtig gutes Sounddesign ist. Denn während Schwinger, Blocks und Co. auch mit leuchtenden Handschuhen, bunten Lichtspuren und -Blitzen einem Actioncartoon gerecht in Szene gesetzt werden, klingen die Einschläge der Faust-Ummantelungen etwas mau und lassen an Wucht vermissen. Auch die Reaktionen auf Treffer hätten für meinen Geschmack noch etwas übertriebener ausfallen können, doch vielleicht ist eine fehlende Extradrehung beim Taumeln oder bogenreiche Flugbahnen beim Knockout ebenfalls der oben angesprochenen Verankerung im Creed-Rocky-Universum geschuldet.
Außerdem finde ich, dass bei den Kommentaren und Ansagern falsche Schwerpunkte gesetzt wurden. Zwar gehört ein Michael Buffer eben wohl nicht zum Lizenzvertrag des MGM Filmstudios, doch ließen sich gerade die typischen Intros der Wettstreiter leicht Nachahmen, zumal auch andere Stimmen wie Stallones typisches Gelalle von den Ersatzsprechern imitiert werden. Leider gibt es aber keine individuellen Begrüßungen oder Kommentare, wenn beispielsweise Vater gegen Sohn antritt. Auch auf einen Schiedsrichter, der den Boxer am Boden sichtbar anzählt, wurde verzichtet. Stattdessen übernimmt diese Aufgabe zumindest in den Publikumsarenen ein Off-Sprecher, der die Veranstaltung auch live kommentiert, doch dieser Ansager lässt ebenso wie das Publikum einiges an Enthusiasmus vermissen.

Big Rumble Boxing: Creed Champions!

Musikalisch erfüllt Big Rumble Boxing: Creed Champions! dann aber wieder alle Erwartungen, indem es mit kultigen Songs aus den Filmen wie Survivors „Eye Of The Tiger“ oder der Rocky-Hymne „Gonna Fly Now“ aufwartet. Ergänzt wird der Soundtrack vorrangig durch lizensierte Hip-Hop-Songs, doch vor allem ein energiegeladenes Elektrostück (dessen Interpretin ich leider nicht in den Credits ausmachen konnte) hat echte Ohrwurmqualitäten.
Alles in Allem kann sich Big Rumble Boxing: Creed Champions! zwar nicht mit Genre-Schwergewichten wie Tekken messen, ist aber dennoch ein nettes, wenn auch etwas seichtes, einsteigerfreundliches Kampfspiel, das mit seinem Setting vor allem für Box- und Rocky-Fans interessant sein dürfte sich. Gerade hinsichtlich Spieltiefe und -umfang sind die geforderten 40 EUR dann doch etwas happig, so das ich bei Interesse gegebenenfalls auf einen Sale warten würde.

XBox One Review: art of rally im Test

Mit dem Aufbruch in das Zeitalter der Polygone waren es vor allem Rennspiele, die oft als Lauchtitel die Fähigkeiten der neuen Hardware demonstrieren sollten. Egal ob Gran Turismo, Forza oder Project Cars, unter teils immensem Aufwand wird mit jeder Iteration grafische Perfektion angestrebt, indem selbst kleinste Details wie Tankdeckelinnenseiten und abgenutzte Fahrbahnmarkierungen millimetergenau vermessen und modelliert werden. Gerade in letzter Zeit findet man aber auch Genrevertreter, die quasi als Gegenentwurf zum Fotorealismus bewusst auf eine reduzierte und simple Optik setzen und dabei oftmals auch spielerisch einem einfacheren Gameplay nacheifern. Mit seiner minimalistischen, schlichten Präsentation und weit entfernten Kamera, die das Geschehen fast schon aus einer isometrischen Perspektive einfängt, fällt art of rally vom Entwickler Funselector zumindest visuell in diese Kategorie.

Art of Rally

Das Spiel erschien bereits 2020 für PC und feiert dieser Tage für ca. 20 EUR sein leicht erweitertes Konsolen-Debüt auf XBox, Switch und Playstation. Zudem ist der Titel beim Start in Microsofts Gamepass enthalten, wobei Funselector so freundlich war, mir einen entsprechenden Code für meine XBox One S zukommen zu lassen.
Wie der Name vermuten lässt, steht bei Art of Rally der Ralleysport im Mittelpunkt, einem der meiner Meinung nach merkwürdigsten Vertreter im Bereich des motorisierten Wettstreits. Nicht nur, dass er sich einer einheitlichen Schreibweise entzieht (Rally? Ralley? Rallye?), es gibt auch anders als bei vielen anderen Rennveranstaltungen keine ansatzweise ansehnlichen Überholmanöver, die von spektakulären, speziell für die Rennserie entworfenen Fahrzeugen auf ebensolchen Strecken ausgeführt werden. Stattdessen messen sich die Fahrerinnen und Fahrer in über Zeitrennen ausgetragenen Fernduellen, die mit hochgezüchteten Straßenfahrzeugen auf Pisten bestritten werden, die nur selten einer echte Fahrbahn ähneln und die jeder vernünftige Mensch aufgrund ihrer Beschaffenheit eher meiden würde.
Dass art of rally das Ralleysetting nicht nur für einen Funracer im Stil von Outrun oder Micro Machines nutzt, wird schon beim erstmaligen Start ersichtlich. Einstellungen wie Assistenten für Stabilisierung, Gegenlenken und ABS oder ein variables Schadensmodell findet man neben der obligatorisch Wahl zwischen manueller oder automatischer Schalung in reinen Arcaderacern eher selten. Nebenbei bemerkt ist das Menü für eine Konsolenversion vorbildlich, da die aufgeräumten Optionen nicht nur weitere Einstellungen wie Gamepadsensibilität und Deadzone-Konfiguration zulassen, sondern sich auch die Menügröße selber anpassen lässt und ich mich somit nicht mehr wie so oft mit fitzelkleiner Schrift auf dem Fernseher herumschlagen muss.
Wie nützlich die fahrrelevanten Hilfestellungen sind, zeigt sich dann, wenn es auf die erste Piste geht. Zwar ist art of rally weit davon entfernt, als Simulation durchzugehen, doch die Fahrzeuge weisen allesamt eine glaubwürdige Masse auf, was sich in einer entsprechenden Trägheit bei der Beschleunigung und vor allem beim Lenken niederschlägt. Auch wenn sich die unterschiedlichen Boliden grundsätzlich ähnlich steuern, haben beispielsweise Radstand oder Art des Antriebs merkliche Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Statt also rein auf Vollgas zu setzen, ist man eher damit beschäftigt, unter gefühlvollem Spiel zwischen Gas und (Hand)Bremse heikle Kurven teilweise auch im Schrittempo zu durchfahren oder bei Kurskorrekturen nicht zu Übersteuern und durch sich aufschaukelndes Gegenlenken von der Strecke getragen zu werden. Darüber hinaus können einem je nach gewählter Schadenseinstellung nach Unfällen auch Defekte am Fahrzeug zu schaffen machen und dem Auto bis zur nächsten Reparatur einen permanenten Schlag nach rechts oder links verpassen.
Dass das Fahrmodell von Art of Rally bisweilen etwas übertreiben reagiert und über das Ziel hinausschießt (ha) zeigt sich beispielsweise an gigantischen Sprüngen über Erhebungen oder dem etwas zickigen Verhalten beim Kontakt mit der praktisch unbeweglich Umgebung. Somit liegen Frust und Freude beim Spiel dicht beieinander. In einem Moment frohlockt man noch, weil man in einem nahezu perfekten Drift eine Kurve gemeistert hat, nur um Augenblicke später den richtigen Bremspunkt leicht zu verpassen und so vor dem nächsten Baum zu landen oder weit von der Strecke abzukommen. Letzteres ist besonders ärgerlich, da schon geringe Abweichungen vom engen Fahrkorridor, der nicht angezeigt wird, mit fünf Strafsekunden geahndet wird.
So merkwürdig es klingen mag, weist das Spiel in meinen Augen somit Ähnlichkeiten zu Klassikern wie Lunar Lander oder Thrust auf, indem es die Auseinandersetzung mit einer zumindest nachvollziehbaren, physikbasierten Steuerung zum zentralen Element eines arcadeorientierten Spiels macht. Das wäre auch eine Erklärung für die ungewöhnliche Ausgestaltung des Karrieremodus, der das „goldene“ Zeitalter der Ralleys thematisiert und sich streng linear über 30 Jahre von 1966 bis 1996 erstreckt, wobei sich die Zeitspanne auf sechs Fahrzeugklassen aufteilt, die jeweils eine halbe Dekade umspannen. Pro Saison ist zwar die Anzahl der zu bestreitenden Rennetappen vorgegeben, jedoch werden sowohl das Land, in dem sie bestritten werden, als auch die damit einhergehenden Strecken und Tageszeiten zufällig bestimmt. Da die gut 60 Kurse, die sich über 6 Regionen wie Finnland, Kenia oder Sardinien erstrecken, bereits zu Beginn uneingeschränkt zur Verfügung stehen, fühlt sich dieser Spielmodus daher ein wenig beliebig und eintönig an, zumal die finale Positionierung ebenfalls keinerlei Einfluss auf den Fortschritt zu haben scheint. Egal, ob man das Ralleyjahr auf dem Siegerpodest oder einem der hinteren Plätze beendet, stets wird das nächste Rennevent entsperrt und zusätzliche Lackierungen und Autos freigeschaltet. Die Beurteilung der fahrerischen Leistung ist dabei sowieso relativ nichtssagend, da der stets einstellbare Schwierigkeitsgrad ausschließlich die erfundenen Zeiten der simulierten Konkurrenz bestimmt. So kann man auf der einfachsten Stufe zu einer gemütlichen Spazierfahrt ansetzen und dennoch die gegnerischen Zeiten um Längen unterbieten. Außerdem wird das eigene Abschneiden und das Gesamtklassement recht trocken erst am Ende einer Etappe in Textform präsentiert, statt beispielsweise wie in anderen Titeln üblich zumindest an Checkpunkten auf der Strecke Position und Differenzzeiten zum führenden oder nachfolgenden Fahrzeug einzublenden.
In selber zusammengestellten Ralleys wird zumindest der zufällige Aspekt des Rennablaufs eliminiert, doch richtig „Klick“ hat es bei mir in den Zeitfahrten gemacht. Habe ich die Implementierung dieses Modus in anderen Rennspielen oft als trockene Pflichtübung wahrgenommen und in der Regel wegen seiner „Reduktion“ des Renngeschehens verschmäht, offenbart er in art of rally den wahren Kern des Spiels. Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern nur um mich und die Strecke. Vor allem in den höheren Fahrzeugklassen ist nicht die Höchstgeschwindigkeit auf der Geraden ausschlaggebend, sondern das Beherrschen des kraftvollen Gefährts auf den sich schlängelnden Pfaden. So kann ich mich wieder und wieder am selben Kurs versuchen, um meine Bestzeit noch etwas weiter zu optimieren. Auch wenn es wohl dem Charakter des Spiels widersprechen würde, hätte ich mir dabei hin und wieder eine Rückspul-Funktion gewünscht, denn die Rennen dauern einige Minuten an, und ein Fahrfehler gegen Ende kann das gesamte Ergebnis ruinieren. Wenigstens lässt sich schnell per Tastendruck ein Neustart veranlassen, womit sich auch die spürbaren Ladezeiten für einen Kurs vermeiden lassen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten steht auch ein Online-Ranking zur Verfügung, das die eigenen Bestzeiten denen der weltweiten Community gegenüberstellt und es erlaubt, ein zugehöriges Geisterfahrzeug einzublenden. Ein Vergleich mit einer geringfügig besseren Leistung kann ungemein motivierend sein, indem er beispielsweise zu einer etwas aggressivere Fahrweise ermutigt oder die Vor- und Nachteile eines anderen Vehikels darlegt.
Dieser Ansporn gilt ebenfalls für die täglichen beziehungsweise wöchentlichen Herausforderungen.
Als finaler und vielleicht merkwürdigster Spielmodus wurde noch die „freie Fahrt“ eingebaut, die für jeden Austragungsort fast schon im Stile eines Open-World-Spiels das überraschend umfangreiche Straßennetz bereitstellt, aus denen sich die einzelnen Rennetappen zusammensetzen. Hier kann man nicht nur das Umfeld frei von Streckenvorgaben erkunden, sondern ähnlich den frühen Tony-Hawk Titeln -jedoch ohne Zeitlimit- einen speziellen Bus und jeweils fünf Videokassetten, fotogene Sehenswürdigkeiten und die Buchstaben R A L L Y einsammeln, die dann die nächste „Welt“ freischalten. Auch wenn die Umgebungen vermutlich bereits für die Einzelverläufe konstruiert wurden, stellt sich mir die Frage, warum der Aufwand betrieben wurde, hier eine offene Welt zu präsentieren, um sie dann für nur wenige Aufgabenstellungen zu nutzen. Nicht, dass ich finde, der Umfang von art of rally sei zu gering, doch gerade weil dieser Modus existiert, bietet er sich doch für so viel mehr an. Warum beispielsweise nicht den Tony-Hawk-Vergleich voll ausreizen und Drei-Minuten-Punkte-Herausforderungen mit einem Kombosystem für Drifts, zielgenaues Fahren oder Höchstgeschwindigkeiten vereinen? Oder im Stile anderer Open-World-Spiele Aufgaben wie zeitkritische Lieferungen von Punkt A nach B in der Gegend verteilen? Selbst ein oft von mir geforderter Streckeneditor müsste sich bei einem bereits bestehenden Straßennetz eigentlich mit Hilfe von zu setzenden Checkpunkten relativ einfach realisieren lassen. Stattdessen verwundern die handvoll Sammelaufgaben um so mehr, als dass sie anscheinend reinem Selbstzweck dienen. Vor allem die Fotolocations werden zwar im Moment Ihrer Entdeckung in einem Schnappschuss festgehalten, der Fahrzeug und Landschaft hübsch in Szene setzt, doch diese Bilder landen in keinem Fotoalbum, und als sammelbares Objekt sind sie aus der Landschaft verschwunden. Dabei haben die Umgebungen sowohl optisch als auch gestalterisch ihre Höhen und Tiefen, und damit meine ich nicht die wortwörtlichen Berg- und Talfahrten auf Gebirgsstrecken die noch zu den Highlights des Spiels zählen. Wie Eingangs erwähnt setzt die Grafik auf einen minimalistischen Stil, der verschiedene Elemente wie einfache Polygonmodelle mit flächigen Texturen in bunten Farben und einem allgemeinen Verzicht auf zu viel Details kombiniert und am ehesten als solide oder zweckdienlich bezeichnet werden könnte, zumal er keine direkten nostalgischen Gefühle weckt wie beispielsweise ein Racer, der komplett in Low-Poly-Optik erstrahlt. Mit netten Lichteffekten wie die Autoscheinwerfer, die die Strecke bei Nachtfahrten beleuchten oder der Abenddämmerung, die der gesamten Szenerie eine lila Färbung verpasst, zaubert art of rally in bestimmten Situationen dennoch stimmungsvolle und schöne Bilder auf den Schirm, die nach einem ersten Patch auch technischen Grundanforderungen genügen. Denn vor der Verbesserung litt die Vegetation in art of rally zumindest auf einer XBox One S so stark unter Pop-in, dass teilweise ganze Wälder aus dem Nichts erschienen. Komplett sind diese Mängel zwar nicht behoben, jedoch ist die Anzahl an Sträuchern und Bäumen, die wie von Geisterhand auf der Piste auftauchen, stark reduziert. Zum Glück wirken sich diese nunmehr kleinen Grafikprobleme kaum auf auf den Spielfluss aus, da die Bewegungen auf der Straße unabhängig von den Geschehnissen in der Ferne stets stabil und flüssig dargestellt werden. Außerdem verpasst das Update den Rennen noch einen ansehnlichen Tiefenunschärfe-Effekt, der zuvor nur dem Foto-Modus vorbehalten war. Damit erweckt die Grafik nun auch in Bewegung fast den Look einer Bastelbogen-Spielzeugwelt und sorgt in Passagen wie den oben genannten Bergrennen, bei denen man über Hänge voller blühender Kirschbäume die Streckenführung und ein kleines Dorf im Tal ausmachen kann, für pittoreske Postkartenmotive in Pastelltönen. Andere Abschnitte sind dagegen sehr viel karger gestaltet, winden sich um optisch langweilige Gewässer und können mit arg kniffeligen Kurvenfolgen nicht immer überzeugen. Am wenigsten haben mir die in Deutschland verorteten Wettkämpfe gefallen, auf denen Teile der ohnehin schon schmalen Straße von Hindernissen gesäumt werden, die wie in den Boden betonierte Grabsteine aussehen.

Art of Rally

Während das Straßennetz relativ offensichtlich der Phantasie entsprungen ist, kann man bei den Fahrzeugen auch ohne teure Lizenz die offensichtlichen Vorbilder ausmachen. Hinter dem kompakten Meanie verbirgt sich der Mini von Cooper, und die typische Seitenlinie des Porsche 911er ziert in art of rally ein Fahrzeug namens „das 119“. Dass durch die Kameraansichten, die von „entfernt“ bis „weit entfernt“ reichen, kaum Fahrzeugdetails auszumachen sind, ist wenig störend, vor allem, da dadurch das Problem der schlechten Streckenübersicht behoben wird, das ich in vielen Rennspielen mit niedriger Heckansicht oder Cockpit-Perspektive habe. Demzufolge vermisse ich auch keine Beifahrerstimme, die in anderen Ralleytiteln Auskunft über anstehende Hindernisse und Lenkmanöver gibt. Denn ähnlich der Optik beschränkt sich auch der Sound mit den realistisch röhrenden und knatternden Motoren und gelegentlichem Zuschauerjubel auf das wesentlich. Tatsächlich fehlt mir lediglich der beruhigende Klang von Kies und Schotter, wenn über entsprechenden Untergrund gefahren wird. Ein uneingeschränktes Lob hat dagegen der Synth-Wave-Soundtrack mit einem Hauch von Daft Punk verdient. Auch wenn diese Art von Musik eher zu einem 80er Jahre Sci-Fi-Film denn ein Rennspiel passt, unterstützen die mal fröhlich energetischen, mal angespannt treibenden Klänge hervorragend den fast schon meditativen Charakter des Spiels, wenn man sich mit Tunnelblick voll und ganz auf die Strecke konzentriert und zur Erkenntnis kommt, dass gefühlvolles Drifting tatsächlich eine Kunstform ist.

Art of rally ist mit Sicherheit nicht nach jedermanns Geschmack. Wer in Anbetracht der einfachen, knuffigen Grafik einen ebenso zugänglichen Arcaderaser erwartet, dürfte enttäuscht sein. Doch wer gewillt ist, über einige offensichtliche Schwachstellen hinwegzusehen und Arbeit in die Verinnerlichung der Steuerung zu investieren, wird mit einem enstzunehmenden, umfangreichen und sicherlich lang motivierenden Spiel belohnt. Daher ist art of rally auf XBox auch außerhalb des Gamepass bestimmt einen Blick wert.

and now, for something completely different…
Einen nicht ganz unerheblichen Teil meines Humorverständnis‘ dürfte ich dem intensiven Konsum von Monty Python’s Flying Circus zu verdanken haben. Seither erfreue ich mich nicht nur an geschliffenem Wortwitz oder schwarzhumoriger Satire, sondern auch an absurden Situationen und surrealem Nonsens. Neben Sketchen über den Umtausch toter Papageie, die unerwartete spanische Inquisition oder den tödlichsten Witz der Welt waren auch die Papercut Animationen von Terry Gilliam fester Bestandteil der Comedysendung und nicht zuletzt auch für das ikonische Intro verantwortlich. Genau diese krud animierten und von klassischer Musik untermalten Collagen aus historischen Gemälden nimmt sich The Procession to Calvary von Joe Richardson ebenso zum Vorbild wie den pythonesken Humor. Das Ergebnis in Form eines traditionellen Point’n’click Adventures erschien bereits letztes Jahr für Mac, PC und Mobil und feiert jetzt sein Konsolendebüt auf Switch, Playstation und XBox für gut 15 EUR, wobei mich Publisher Digerati freundlicherweise mit der XBox-Version versorgt hat.

The Procession to Calvary

Als mordlüsternde Kämpferin, basierend auf Rembrandts Bellona, gibt es nach dem siegreich beendeten heiligen Krieg eigentlich nicht mehr viel zu tun, zumal das Abschlachten der nunmehr zivilen Bevölkerung irgendwie sozial nicht mehr akzeptabel scheint. Also wird kurzerhand ein letzter Auftrag angenommen, um mit dem inzwischen im Exil lebenden himmlischen Petrus wenigsten noch dem besiegten ehemaligen Anführer den Garaus zumachen. Zu diesem Zweck gilt es, auf diversen Bildschirmen, die aus den Werken der größten Meister des Barrocks und der Renaissance zusammengestellt wurden, Rätsel zu lösen und Dialoge zu führen. Dabei macht The Procession to Calvary seinen Job bei der Zusammenstellung der unterschiedlichen Versatzstücke von Malern wie Botticelli oder Hieronymus Bosch fast schon zu gut. Denn aufgrund sauberer Ebenenaufteilung für einen räumlichen Tiefen-Effekt und erstaunlich gelungener Bildaufteilung, Elementauswahl und sanfter Umgebungseffekte wirkt tatsächlich vieles wie aus einem Guss. Damit fehlt aber eben auch ein kleiner Teil des für die Python-Animationen typischen Kontrasts, der durch das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Komponenten entsteht. Bei den bewusst hampeligen Charakteranimationen ist das Spiel aber wieder voll auf dem Kurs der Vorlage, ebenso wie bei der klassischen Musikuntermalung mit Auszügen aus bekannten Symphonien, Stücken und Märschen von Vivaldi, Bach oder Händel. The Procession to Calvary könnte sich somit gar als authentischstes aller Retrospiele bezeichnen, an denen die größten Künstler aller Zeiten mitgearbeitet haben.

The Procession to Calvary

Als kleiner Running Gag befinden sich dann auch in jeder Szene entsprechende Musikerinnen und Musiker, die mit unnötig detaillierten Beschreibungen wie „ein kleines Kammerorchester spielt an der Spitze einer ordentlich getrimmten Kiefer das Kammerkonzert in F-Dur von Antonio Vivaldi“ versehen sind. An diesem Beispiel kann man auch schon gut die humoristische Ausrichtung des Spiels erkennen, die ebenso wie die optische Aufmachung etwas bodenständiger und weniger chaotisch ist als die der britischen Blödeltruppe. Selbstverständlich würde die Erwartung einer Monty Python gleichwertigen Klamaukqualität fast schon an Majestätsbeleidigung grenzen, doch das Spiel tut sein bestes, um den witzigen Geist der Inspirationsquelle einzufangen. In vielen Situationen kann man sich ein Kichern oder zumindest das ein oder andere Schmunzeln nicht verkneifen, beispielsweise wenn in einem Feldlazarett „traumatische“ Kriegsverletzungen wie zu lange Haare oder kalte Füße behandelt werden. In Anbetracht der oftmals religiösen Motive der Bildvorlagen bekommen auch die Kirche und der Klerus ihr Fett weg, wenn zum Beispiel Jesus als windiger Straßenzauberer Taschenspielertricks aufführt oder Kardinäle Schmuck und knackige Knaben als Bestechung fordern. Leider verpasst The Procession to Calvary hier eine große Chance, da komplett auf Sprachausgabe verzichtet wurde. Wenn im Sinne des neu gewonnenen demokratischen Verständnis erst formell darüber abgestimmt werden muss, ob der Heldin ein für das Vorankommenden benötigter Gegenstand überlassen wird, kann ich in meinem Hinterkopf praktisch unmittelbar die verstellten Stimmen von John Cleese und Eric Idle hören, deren Pathos der absonderlichen Situation noch eine Extraportion Komik verleihen würde und die sich auch mit weniger kostspieligen Synchronsprechern zumindest auf Englisch leicht nachahmen ließen. Dennoch zündet der typisch britische Humor auch als Textform sowohl in der englischen als auch der deutschen Version überraschend gut, auch wenn mir in beiden Sprachen etwas zu häufig auf anachronistisches Fluchen und teils etwas zu langatmige Selbstreferenz für einen schnellen Gag zurückgegriffen wird. Weniger gut gefallen hat mir die Darstellung des Texts bei der Dialogauswahl an und für sich, denn gerade auf dem Fernseher lassen sich die teils gelbgrauen Buchstaben auf hellem Untergrund etwas schwer ausmachen. Zum Glück werden die Zeilen dann aber noch einmal etwas größer wiederholt. Insgesamt scheinen vor allem die stationären Konsolen nicht unbedingt die besten Plattformen für Adventurespiele der alten Schule zu sein, doch nicht zuletzt dank einiger zeitgemäßer Genrestandards und Kompfortfunktionen ist The Procession to Calvary auch auf der XBox One anstandslos spielbar. So lässt sich der Cursorpfeil, mit dem sämtliche Handlungen ausgeführt werden, auch ohne Maus oder Touchpad mit dem linken Analogstick recht bequem und ausreichend präzise bewegen, so dass die optionale Beschleunigung per Schultertaste eigentlich gar nicht benötigt wird. Per „Doppelklick“ kann die Protagonistin zum gewünschten Zielort sprinten und auf Wunsch werden alle Hotspots angezeigt, so dass der Bildschirm nicht unnötig nach relevanten Bereichen abgesucht werden muss. Einmal angeklickt können dort wiederum über drei Icons die Aktionen Interagieren, Reden und Betrachten gewählt werden, während der obere Bildschirmrand ein Inventory für einige Gegenstände bereithält. Damit erinnert das Interface stark an Lucasarts Full Trottle, dessen Remake ich unlängst zum ersten mal gespielt habe, und auch in Sachen Rätseldesign reiht es sich trotz begrenztem Vokabular problemlos im oberen Mittelfeld klassischer Adventuregames ein. Beschränken sich die Aufgaben anfangs oft noch darauf, Gegenstände an Position A einzusammeln und an Person B zu übergeben, werden die Herausforderungen später etwas komplexer und verschachtelter, beispielsweise wenn es darum geht, die Jury eines Talentwettbewerbs zu beeindrucken oder eine satanisches Ritual zu vollziehen. Dabei bleiben die Anforderungen stets logisch und nachvollziehbar und sorgen für den einen oder anderen „Heureka“-Moment. Der Umfang von gut 4 Stunden für einen Durchlauf ist ebenfalls absolut ausreichend, zumal sich die Probleme zumindest ansatzweise unterschiedlich angehen und Aktionen triggern lassen, die zu unterschiedlichen „Enden“ führen. Vor allem das Credo „Gewalt ist doch keine Lösung“ ist nicht unbedingt keine Lösung. Dementsprechend ist dem Zücken des Schwertes eine eigene Taste gewidmet, und der Vorsatz, keine Leute mehr zu töten, verliert außerhalb des Blickfelds der Obrigkeitlich deutlich an Relevanz.
Außerdem hält The Procession to Calvary auch außerhalb der eigentlichen Handlung einige amüsante Überraschungen und witzige Details bereit. Wie es sich für ein anständiges Adventure gehört werden auch nicht-lösungsrelevante Aktionen nicht einfach mit einem „das geht nicht“ abgetan, sondern erhalten oft bissige Kommentare oder gar eigene kleine Animationen.

Alles in allem kann das Spiel zwar nicht ganz mit Spitzenvertretern wie Grim Fandango oder Monkey Island mithalten und erreicht auch nicht die zeitlose Witzigkeit einer Flying Circus Episode, doch selbst zur Blütezeit des Genres wäre The Procession to Calvary in Sachen Humor, Spielspaß und -Design ein bemerkenswerter, kleiner Titel und Geheimtipp gewesen, der alleine schon ob der ungewöhnlichen Präsentation einen Blick wert ist. Man merkt dem Spiel zu jedem Zeitpunkt an, dass es mit sehr viel Liebe zum Detail und Sachverstand entwickelt wurde. Ob es jedoch -entsprechende Hardware vorausgesetzt- zwingend auf der XBox One gespielt werden muss oder nicht doch die älteren (und günstigeren) Versionen eine gleichwertige oder gar bessere Alternative darstellen, sei dahingestellt.

Xbox One Review: Skate City im Test

Einer der großen Vorteile von Computer- und Videospielen ist, dass sie uns erlauben, virtuell Dinge zu tun, die uns im realen Leben versagt bleiben. Sei es das Retten eines fantastischen Königreichs vor fiesen Dämonenfürsten, das Erkunden der unendlichen Weiten des Alls in einem schnittigen Raumschiff oder das saubere Stehen eines Kickflips auf einem Skateboard. Zumindest für mich ist der letzte Punkt ähnlich utopisch wie die ersten beiden. Denn auch, wenn ich mich seit Kindheitstagen für Skateboarding interessiere, hat es nie zu mehr als einem Möchtegern-Ollie von der Bordsteinkante gereicht, und mit zunehmenden Alter möchte man natürlich auch kein zersplittertes Becken riskieren.

Skate City

Unter den Skateboard-Spiele war und ist Aktivisions Tony Hawk’s Pro Skater Reihe unumstrittener Platzhirsch, doch wenigstens in Nischen scheint der Markt auch für andere Ansätze offen zu sein. Die Skate-Serie von EA verfolgt beispielsweise einen sehr viel simulationslastigeres Gameplay, ähnlich wie der Early Access Titel Session. Skate City vom norwegischen Entwickerstudio Agens wiederum geht eigene Wege, indem es sich im doppelten Sinne auf bodenständige Tricks in urbanen Umgebungen konzentriert und das Spielgeschehen in eine lineare 2,5D Perspektive verfrachtet. Das Spiel wurde bereits Ende 2019 auf iOS Geräte veröffentlicht und erscheint nun für gut 15 EUR auch für XBox, Playstation, Switch und PC. Der Publischer Snowman war so freundlich, mich mit einem XBox One Code auszustatten.
Die Steuerung des Skaters oder der Skaterin ist dabei zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchdacht: Von den „regulären“ Knöpfen des Gamepads wird eigentlich lediglich die A-Taste genutzt, um Schwung zu holen. Stattdessen spielen die beiden Analog-Sticks eine zentral Rolle, indem sie je nach gedrückter Richtung verschiedene Sprünge einleiten. Die Schultertasten dienen dazu, sich um die eigene Achse zu drehen und die Trigger kommen zum Einsatz, um Aktionen auf 2 Rädern durchzuführen und die Balance zu halten. Der „halben“ Dimension der eingangs als 2,5D bezeichneten Umgebung kommt dabei eine stärkere Bedeutung zu als bei vergleichbar präsentieren Spielen wie beispielsweise die Trials Reihe. Denn eigentlich bewegt man sich zwar auch in Skate City nur auf einer festgelegten Ebene von links nach rechts, in der Nähe von Geländern, niedrigen Mauern und ähnlichem führen Sprünge jedoch dazu, dass man automatisch über diese Objekte im Vorder- oder Hintergrund grindet. Grundsätzlich sind diese Elemente gut zu erkennen, nur in sehr seltenen Fällen kommt es aufgrund der letztendlich doch dreidimensionalen Darstellung zu anfänglichen Unklarheiten darüber, ob etwas nur schmückende Staffage, interaktive Architektur oder ein Hindernis ist. Nach einiger Einarbeitung und etwas Umdenken hinsichtlich der in anderen Spielen erlernten Steuerung gelingen einem so auch hier ansehnliche Kombo-Ketten, die mich stolz-erfüllt an echte Videoszusammenschnitte von Rodney Mullen aus den Tony Hawk-Spielen erinnern. Mit einem Arsenal an derart auszuführenden Tricks können sodann verschiedene Aufgaben zunächst in Los Angeles, später dann auch in Oslo und Barcelona, angegangen werden. Dazu begibt man sich entweder im „Endlos“ Modus sozusagen auf den Rundkurs des jeweiligen Stadt-Levels, um 30 spezielle Vorgaben zu erfüllen, oder versucht sich an den insgesamt 63 Missionen, die in Dreier-Blöcken freigeschaltet werden und auf kleineren Teilabschnitten zu bestreiten sind. In diesen offenbart Skate City dann auch seine mobile Abstammung. Während es mir rätselhaft bleibt, wie die durchaus komplexe Steuerung, die ideal für ein Gamepad ist, auf einem Touch-Gerät funktionieren soll, sind die Missionen oftmals auf nicht einmal eine Minute Spielzeit ausgelegt und haben eine mobil-typische Unterteilung der Zielvorgabe, die mit bis zu drei Sternen bewertet wird. Dabei sind die Aktivitäten im Rahmen der Möglichkeiten vielseitig ausgefallen und überraschen mit einigen netten Ansätzen. So finden sich neben typischen Punkte-Herausforderungen und Trickvorgaben auch Rennen gegen andere Skater oder die Polizei, bei denen sich Style der Geschwindigkeit unterordnen muss. Etwas weniger gelungen finde ich persönlich Abschnitte, in denen sich zusätzlich noch Passanten in der Roll- und Rutsch-Ebene befinden. Da diesen zwingend ausgewichen werden muss, ist hier die Skate-Linie quasi strikt vorgegeben und es kommt häufiger zu Stürzen als in den Passagen, in denen lediglich vereinzelte Mülleimer, Bänke und Kanten Hindernisse darstellen. Dadurch gerät der eigentlich recht entspannte „Flow“ etwas ins stocken, wobei das nicht heißen soll, das es sich ansonsten um ein leichtes Casual-Spiel handelt. Zwar sind die frühen LA-Missionen, die teilweise auch als erweitertes Tutorial dienen, schnell mit einer Top-Wertung abgeschlossen, später ist jedoch eine gute Beherrschung der Eingabemöglichkeiten und auch etwas Auseinandersetzung mit dem Skater-Jargon nötig, um überhaupt einen Stern zu ergattern. Und dennoch fühlt sich das Spiel etwas seicht und leer an und animiert eher zu kurzen Sitzungen denn zum Dauerzocken. Hier hätten vielleicht weitere Modi wie einem Streckeneditor, eine prozedural generierte Daily Challenge oder auch nur ein 3 Minuten Score Attacke Abhilfe geschaffen, oder vielleicht auch ein bis zwei weitere Umgebungen. Denn die drei Kreis-Level sind zwar nominell in unterschiedlichen Städten angesiedelt und in sich noch einmal in Abschnitte wie Strand oder Schule unterteilt, sehen sich mit ihre Abfolge von Treppen, Parks und Mauern aber doch recht ähnlich. Insgesamt vermisse ich etwas Individualität und Persönlichkeit, beispielsweise durch berühmte Wahrzeichen der Metropolen wie den Hollywood-Schriftzug oder die Kirche Sagrada Família. Wenigsten sorgt ein Tag/Nachtwechsel sowie gelegentliche sommerliche Regenschauer für etwas mehr Flair.

Skate City

Bezüglich der Präsentation von Skate City konnte man als Reaktion auf den Trailer schon im Vorfeld Stimmen vernehmen, die das Aussehen und vor allen die Musik als fehlplatziert bemängelten. Schließlich gehöre zu einem ordentlichen Skate-Spiel eine Punk-Rock-Soundtrack. Doch diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Vielmehr passt die in Sepia-Tönen gehaltene, klar strukturierte Optik in ihrer Schlichtheit und ihrem Instagram-Filter-Look ebenso zum modernen, gelassenen Charakter des Spiels wie die chilligen LoFi Hip-Hop-Beat. Das gleiche gilt auch für die hübschen, eben nicht übertrieben inszenierten, flüssigen Animationen. Fast schon bewusst scheint sich der Titel innerhalb des Genres von bisherigen Vertretern abgrenzen zu wollen und repräsentiert halt mehr den skatenden Generation-Z-Hipster als die X-tremen Sk8erbois und Rollbrettfahrerinnen der Jahrtausendwende. Da ist es um so erstaunlicher, dass sich unter den wenigen Anpassungsmöglichkeiten, die sich im Shop gegen Austausch der Skate-Creds genannten Währung erstehen lassen, keine formschönen Vollbärte oder sündhaft teure Kopfhörer befindet. Stattdessen ist das Angebot an Individualisierungsoptionen beispielsweise mit nur einer Hand voll Frisuren und nicht allzu extravaganter Kleidung ebenfalls recht überschaubar gehalten, so dass das Geld nach Freischalten der beiden Örtlichkeiten lieber in Verbesserungen der Fähigkeiten wie Geschwindigkeit oder Gleichgewicht oder einen der acht Spezialtricks gesteckt werden sollte.
Für Kreative hält das Spiel noch einen Fotomodus bereit, der sich mir aber nicht so ganz erschließen will, so dass die Screenshots auf herkömmliche Weise über die XBox erstellt wurden.
Skate City bietet mit eigenständigen Ideen wie dem Verzicht auf eine frei befahrbare dreidimensionale Umgebung und der Fokussierung von glaubwürdigen Tricks, die auf einer fordernden, aber nicht zu komplizierten Steuerung beruhen, eine vielversprechende und spaßige Basis, die ihr volles Potential leider in dem recht eng gesteckten Rahmen nicht ganz ausschöpfen kann. Hier könnte ein Patch, DLC oder spätestens einen Nachfolger Abhilfe schaffen und den guten Konzepten eine größere Bühne zur Entfaltung bieten.

Xbox One Review: Taxi Chaos im Test

Taxi Chaos

Taxi Chaos möchte gerne Crazy Taxi sein!
Üblicherweise beginne ich einen Review mit einer sanften Einleitung, beispielsweise in Form einer Anekdote, um dann mehr oder weniger geschickt zum eigentlichen Thema überzugehen, doch dererlei Subtilität hat Taxi Chaos, dessen XBox One Reviewcode mir vom Publisher Lion Castle zur Verfügung gestellt wurde, auch nach dem Day-1 Patch nicht verdient.
Taxi Chaos möchte gerne Crazy Taxi sein! Es nimmt sich nicht Crazy Taxi zum Vorbild, es ist keine Hommage an Crazy Taxi und es wurde nicht von Crazy Taxi inspiriert, sondern es möchte schlichtweg gerne Crazy Taxi sein, indem es die zentralen Aspekte des Spiels kopiert. Und grundsätzlich ist das gar keine so schlechte Idee, schließlich hat der dritte und letzte „echte“ Teil des Originals mit seinem Erscheinen 2002 schon etliche Jahre auf dem Buckel. Für alle, die vielleicht auch diesem Alter geschuldet nichts mit der Crazy Taxi Reihe verbinden können, sei gesagt, dass es sich um ein 1999 erschienenes 3D Automatenspiel von SEGA handelt, in dem es darum geht, in einer quasi-offenen Stadt Taxigäste einzusammeln und an ihr von einem dicken Pfeil angezeigtes Ziel zu bringen, bevor ein Zeitlimit abläuft. Ich vermeide hier bewusst die Genrebezeichnung Rennspiel, denn auch wenn man in einem Auto unterwegs ist, hat das Fahrverhalten doch wenig mit dem eines echten Kraftwagens zu tun. Vielmehr führt man unrealistisch hohe Sprünge und gewagte Drifts durch oder rast über Häuserdächer, Grünflächen und Meeresböden, um die Fahrgäste bei Laune zu halten und durch pünktliche Ablieferungen ein paar weitere Extrasekunden auf dem stetig herunter zählendem Taxameter einzusammeln.
Dieses extrem simple Spielprinzip, das für permanenten Zeitdruck sorgt, ist ideal für die Highscorejagd in der Spielhalle ausgelegt und macht auch in diversen Umsetzungen für Heimkonsole und PC noch eine Menge Spaß.

Taxi Chaos

Auf dem ersten Blick scheint es Taxi Chaos, das am 23.02.2021 für Nintendo Switch, Playstation 4 und XBox One für happige 29,99 EUR erschienen ist, auch durchaus zu gelingen, dieses Spielprinzip in die Gegenwart zu retten. Die Umgebung orientiert sich wie auch schon Teile von Crazy Taxi 2 und 3 am realen New York, präsentieren die Mini-Version der Stadt jedoch in einem farbenfrohen Comiclook, der zumindest ansehnlich, wenn auch nicht sonderlich spektakulär, ist und gut zum zugänglichen Charakter des Titel passt. Auch die Fahrzeuge sind nett gestaltet und spielrelevante Elemente wie die grün umrandeten Parkzonen und die farbigen Kreise um potentielle Passagiere, die den Abstand zu den mal mehr, mal weniger weit entfernten Ziele wie Grand-Hotel, (Central)-Park oder Museum kennzeichnen, wurde augenscheinlich akkurat umgesetzt.

Doch bereits bei der Grafik beginnen die Probleme von Taxi Chaos, die sich im Verlauf als echte Spielspaß-Killer herausstellen werden. Denn trotz überschaubarer Größe der Umgebung und im späteren Spielverlauf freischaltbarer Vehikel mit unterschiedlichen Eigenschaften, liegt die Fahrgeschwindigkeit auf der XBOX One S stets irgendwo zwischen „nicht schnell genug“ und „etwas zu ruckelig“. Damit wird der Titel zwar nicht unspielbar, ist jedoch auch nicht die abgefahrene Arcadeaction, die man sich erhofft hat. Wie erwähnt ist das Physikmodell von Crazy Taxi alles andere als realistisch und ordnet selbst die Naturgesetze gerne mal dem Erhalt des Vortriebs unter. Insofern kann man auch Taxi Chaos nicht das leichtgewichtige Fahrverhalten vorwerfen, das in jedem anderen Rennspiel zur sofortigen Disqualifikation führen würde, sondern eher bemängeln, dass gegebenenfalls sogar noch etwas zu viel Autosimulation unter der Haube steckt, da ich öfter an anderen Verkehrsteilnehmern, Bäumen und kleinen Mauern hängen bleibe, als ich es in Anbetracht der Vorlage erwartet hätte. Zumindest wurde der in der zweiten Inkarnation von Crazy Taxi eingeführte Sprung per Knopfdruck ebenfalls übernommen, so dass man Hindernisse auch auf diese Art umgehen kann. Zudem erhöhen diese Hüpfer den punktespendenden Kombozähler ebenso wie beispielsweise der etwas unhandlich auszuführende Boost. Auf andere fahrerische Kapriolen wie Drifts wurde jedoch leider verzichtet. Wirklich enttäuschend ist jedoch der Mangel an Präsentation und Atmosphäre, der daran Zweifeln lässt, ob Entwickler Team6 Game Studios wirklich begriffen hat, was den Kultcharakter der Vorlage ausmacht. Erschienen um die Jahrtausendwende hat es SEGA meisterlich verstanden, den Aufbruch des Mediums weg vom reinen Kinderspielzeug mit dem Zeitgeist zu vereinen. Dementsprechend strotzt Crazy Taxi nur so vor lauter, übertriebener und rotzfrecher Attitüde, die sich nicht nur am rücksichtslosen Fahrstil als zentralem Spielelement, sondern auch am Design der Figuren, dem permanenten Jauchzen der Fahrgäste und Geklimper des spendierten Trinkgelds bei riskanten Manövern und nicht zuletzt am ikonischen Punkrock-Soundtrack von Bands wie The Offspring festmachen lässt. Taxi Chaos wirkt dagegen wie das brave, glattgebügelte Kinderchor-Cover eben dieser Lieder. Zwar wurden die absolut unpassende Kirmes-Trance-Techno-Tracks per Patch durch nichtssagenden, vermutlich frei verfügbaren Retorten-Rock ersetzt, doch ändert das an der Gesamtsituation wenig. Passanten und die wählbaren Miet-Chauffeure Cleo und Vinni scheinen einem Lego-Friends-Set entsprungen zu sein, Motorengeräusche ähneln eher einem Elektrorasenmäher denn einer hochgetunten Spaßschleuder und wie sehr bei der restliche Vertonung daneben gegriffen wurde, lässt sich bereits bei Fahrtantritt gut ausmachen. Denn wo sich bei der Vorlage die markig vorgetragene Begrüßung „LET’S MAKE SOME CRRRRRRRRAAAAAAZZYYYYYYY MONEY!!!!!“ einen festen Platz im kollektiven Gaming-Gedächtnis gesichert hat, erklingt bei Taxi Chaos in dünner Stimme die Belanglosigkeit „let’s earn some money“. Jetzt erwarte ich selbst bei „übernommenen“ Spielkonzept natürlich nicht die gleichen lizenzierten Songs und exakte Reproduktion der Slogans, aber vielmehr eigenständige Ansätze, wie man nicht nur die Mechanik nachahmen, sondern eben auch Spielspaß und Stimmung der Vorlage einfangen kann. Doch damit kann Taxi Chaos leider nicht aufwarten. Eigentlich sind kleine Konversationen während der Fahrt eine überlegenswerte Idee, doch sämtliche Sprüche und Dialoge wirken fast schon ironisch unmotiviert bis gelangweilt, wiederholen sich ständig, sind in keiner Weise amüsant und nerven binnen kürzester Zeit. Wenn auf englisch die Frage nach dem werten Befinden damit beantwortet wird, dass man sich Tag für Tag dem Ruhestand im Altersheim nähert, ist das nicht beim erstem mal lustig, nicht beim zweiten mal und schon gar nicht beim zweihunderdreiundsiebzigsten mal, nachdem man es von praktisch jedem Fahrgast in unterschiedlichen Stimmen gehört hat. Das peinliche Gequatsche lässt sich genau so wie die übertriebene Rumble-Funktion nicht einmal im Menü separat abschalten, da beim Herunterdrehen der Sprachlautstärke auch die Ansage der gewünschten Destinationen entsprechend verloren gehen würden.

Taxi Chaos

Somit bin ich beim Spielen von Taxi Chaos in etwa so euphorisch und motiviert wie beim Zusammenlegen meiner Wäschen (also nicht besonders), zumal jede der drei Spielvarianten ihre eigenen Tücken hat.
Der Arcademodus setzt auf das klassische Spielkonzept mit einer Spieldauer von 90 Sekunden, die sich durch erfolgreiche Fuhren aufstocken lässt. Allerdings scheint es etwas an Feintuning zu fehlen, denn wenn ich mit wenig verbleibender Zeit auf der Uhr eine Tour aufgable, für deren Erfüllung eine Minute veranschlagt wird, mir aber lediglich weitere zehn Sekunden zusätzliche gewährt werden, scheint irgendetwas nicht zu stimmen. Somit reicht die Zeit oft nur für 4-5 Fahrten, bevor es Game Over heißt.
Der Profimodus entspricht weitestgehend dem Arcademodus, verzichtet jedoch auf jegliche Hilfestellung wie dem Pfeil bei der Anzeige des Fahrziels. Allerdings habe ich wenig Lust, mich mit dem Aufbau der Karte zu befassen, was auch am Setting liegen könnte. Schon in Crazy Taxi 3 war der Big Apple nicht meine bevorzugte Umgebung, da mir die Orientierung dank sichtversperrender Wolkenkratzer und vieler gleich aussehender, rechtwinkliger Kreuzungen schwer fällt.
Der freie Modus verzichtet schließlich auf die Zeitbegrenzung und somit jegliche spielerische Herausforderung, und ist neben dem Erkunden der Stadt allenfalls dazu geeignet, Achivements freizuschalten und die Quests zu erfüllen, die darin bestehen, spezielle Passagiere zu befördern und anschließend Gegenstände einzusammeln. Allerdings kommt mir auch hier einiges Merkwürdig vor, könnte ich doch beispielsweise schwören, bereits mehr als die eine mir vom Spiel angezeigte Kaffeetasse eingesammelt zu haben. Andere Miniherausforderungen, wie sie beispielsweise die Heimvarianten von SEGAs Taxispielen bereichert haben, gibt es leider nicht.

Auch wenn Taxi Chaos vielleicht keine technische Katastrophe ist, hat es dennoch mit Sicherheit mit einigen Herausforderungen und Problemen zu kämpfen und ist schlicht und ergreifend kein gutes Spiel, woran auch der Patch zur Veröffentlichung nichts ändert. Es mag sein, dass Taxi Chaos gerne Crazy Taxi sein möchte, doch wenn selbst die entsprechenden Minispiele in der GTA Reihe diesbezüglich einen besseren Job machen, ist das Spiel an dieser Aufgabe kläglich gescheitert.

The Pillar: Puzzle Escape

Schon Jules Verne wusste, dass eine Insel hervorragend als Schauplatz für geheimnisvolle Geschehnisse geeignet ist, während die Fernsehserie Lost aus dem Ort des rätselhaften Ereignisse gar quasi einen aktiven Charakter machte. Ebenso nutzen auch Spiele wie Myst oder The Witness das Setting eines Archipels, um Knobeleien in einer Mischung aus Technik und Mystik zu präsentieren. Und geht es nach der Beschreibung auf der Webseite des tschechischen Entwicklers Paper Bunker, ist das thematisch ähnlich ausgerichtete Denkspiel The Pillar: Puzzle Escape ebenfalls auf einer Reihe von Inseln angesiedelt. Diese Ortsangabe ist aber eher im übertragenen Sinne denn wörtlich zu verstehen. Schließlich bestehen die 3D-Umgebungen des Spiels, das neben mobilen Plattformen und Steam seit kurzem auch für PS4, Switch und Xbox One für knapp 10 EUR zur Verfügung steht (und dessen Publisher eastasiasoft mich freundlicherweise mit einem Code bedacht hat) nicht zwingend aus von Wasser umgebenen Landmassen, sondern sind vielmehr kleine, in sich abgeschlossene Orte, die mal von hohen Mauern, Wolken oder Nebel gesäumt sind oder gleich schwerelos durch den Weltraum driften. Etwas enttäuschend ist, dass hier die Verwendung der Mehrzahl durchaus korrekt ist, denn statt ein großes, zusammenhängendes Gebiet auf der Suche nach Rätseln zu erkunden und ein mächtiges Mysterium zu entschlüsseln, teilt sich das Spiel auf 8 kleinere, praktisch unabhängige Abschnitte auf, die nacheinander freigeschaltet werden und die allenfalls vom esoterisch angehauchten Setting denn von einer richtigen Story zusammengehalten werden. Die Bedenken wurden um so größer, als dass ich nach nicht einmal 2 Stunden bereits die Hälfte dieser Episoden gelöst hatte. Zum Glück nimmt in den letzten 4 Leveln nicht nur der Schwierigkeitsgrad der Rätsel geringfügig zu, sondern vor allem auch deren absolute Anzahl, wodurch man auf eine Spielzeit von um die 5-6 Stunden kommt.

The Pillar: Puzzle Escape

The Witness nicht ganz unähnlich werden dabei ein Großteil der Denksportaufgaben auf mit Gittermustern versehenen Panelen präsentiert, die sich vorrangig an den Seiten der namensgebenden Obelisken befinden. Eine Erklärung des Regelwerks, das der jeweiligen Aufgabe zugrunde liegt, gibt es üblicherweise nicht, die verschiedenen Puzzletypen kennt man jedoch oftmals beispielsweise von schlichter präsentierten Handyspielen. So müssen Paare von verschieden farbigen Kästchen miteinander verbunden werden, ohne dass sich die Pfade überkreuzen oder ein Muster in nur einer einzigen durchgehenden Linie eingefärbt werden. Da diese Rätsel nicht übermäßig schwer sind, lassen sie sich entspannt in kürzester Zeit lösen und sorgen so für schnelle Erfolgserlebnisse. Etwas aus diesen Rahmen fallen jene Tests, bei denen die zuvor in Animationen abgespielte Bewegungen auf den Rastern nachgezeichnet werden müssen. Hier sind weniger Logik denn Konzentration und Gedächtnis gefordert, was eigentlich für begrüßenswerte Abwechslung sorgt, jedoch können sich die Prüfungen etwas ziehen, da nach Fehlern die gesamte Sequenz von vorne beginnt.
Abgesehen von solchen Schalttafeln, die den Hauptteil von The Pillar: Puzzle Escape ausmachen, finden sich noch einige andere Knobeleien wie Engergiewürfel, die platziert werden müssen oder Zahlenschlösser, die es zu knacken gibt. Hatte ich zunächst noch auf kniffelige Lösungen durch ungewöhnliche Spielmechaniken gehofft, musste ich bald erkennen, dass das Spiel einen sehr viel gradlinigeren Weg einschlägt und durfte die Bedeutung des Wortes Apophänie am eigenen Leib erfahren. Anstatt Zeit damit zu verschwenden, irrelevante Details aus den unmöglichsten Perspektiven zu betrachten in der Hoffnung, eine geheime Botschaft zu entdecken, lassen sich Hinweise und Zugangscodes stets ohne Umschweife direkt beim Absuchen der Umgebung entdecken. Diese Linearität findet sich auch im eigentlichen Spielverlauf wieder. Zwar können an vielen Stellen die vier Seiten der Rätselsäulen in beliebiger Reihenfolge angegangen werden und ab und an warten auch zwei oder drei Knobel-Denkmäler gleichzeitig auf ihre Lösung, in der Regel müssen jedoch stets erst alle offenen Herausforderungen erledigt werden, bevor sich eine Tür zum nächsten Bereich öffnet oder sich die Umwelt anderweitig verändert, um die nächsten Aufgaben bereitzustellen. Das schränkt zwar einerseits den Forschungsdrang etwas ein, andererseits gibt es so aber auch kaum Zweifel darüber, was als nächstes zu tun ist.

The Pillar: Puzzle Escape

Das Alles wird im anscheinend defacto Genre-Standardsetting aus leicht verfallenen, mediterran angehauchten Ruinen inmitten üppiger Natur präsentiert. Mit Ihren kräftigen Farben und dezenten Texturen sorgt die Grafik für Übersichtlichkeit und erinnert vermutlich nicht von ungefähr ebenfalls an The Witness. Darüber hinaus verleihen kleine Animationen wie im Sonnenlicht tanzender Staub oder fallende Blätter und örtlich begrenzte Geräusche wie Grillengezirpe den ansonsten menschenleeren, recht statischen Szenerien etwas Leben, während die ab und an erklingenden Piano- und Harfenklänge für eine entspannte Atmosphäre sorgen. Böse Zungen könnten zwar behaupten, dass diese Präsentation wenig Eigenständigkeit aufweist und sich die verwendeten Ressourcen eventuell sogar so oder so ähnlich in den Standardbibliotheken der verwendet Unity-Engine finden lassen, doch selbst wenn dem so wäre, ergeben sie meiner Meinung nach ein stimmungsvolles, wenn auch nicht unbedingt originelles Gesamtbild.
Apropos Gesamtbild ergeben: Zur Auflockerung sind in den Leveln Schnipsel vermutlich der jeweiligen Konzeptzeichnung verteilt, die man zwar einsammeln kann, überraschenderweise konnte ich jedoch keine Möglichkeit entdecken, mir sie nachträglich noch einmal anzusehen. Auch andere Aspekte der Bedienoberfläche scheinen mir etwas holprig zu sein und offenbaren aller Wahrscheinlichkeit nach die Herkunft von The Pillar: Puzzle Escape als Spiel, das für Touchscreens entworfen wurde. Buttoneinblendungen und Cursorsymbole wirken optisch ein wenig deplatziert, und im Menü findet sich der Punkt „reibungslose Kamera“, der in der Xbox Version keinerlei spürbare Auswirkungen hat, auf mobilen Geräten aber vermutlich dafür gedacht ist, sich auf Schienen von einer interessanten Stelle zur nächsten zu bewegen.
Dabei könnte die Steuerung erwartungsgemäß kaum einfacher sein. Wie von anderen Spielen aus der Egoperspetkive gewohnt kann man sich mit den analogen Sticks bequem bewegen und umsehen. In der Nähe eines Puzzles wird dieses automatisch auf dem Bildschirm zentriert und auf das Digikreuz umgeschaltet, mit dem sich der Cursor präzise platzieren lässt. Weil die Einführung darauf verzichtet, sei hier als Tipp erwähnt, dass die rechte Schultertaste zum Rennen genutzt werden kann, was vor allem in den etwas größeren Bereichen nützlich sein kann, in denen viel hin- und hergelaufen werden muss.

Eigentlich müsste die Bewertung von The Pillar: Puzzle Escape ein Leichtes sein. Schließlich ist das Spiel in praktisch allen Aspekten eher durchschnittlich und kann weder mit Überraschungen noch Innovationen punkten, womit sich eine Bewertung als Mittelmaß praktisch aufdrängt. Das würde aber völlig außer acht lassen, dass ich mit The Pillar sehr viel mehr Spaß als mit anderen Spielen dieser Einstufung hatte. Das könnte daran liegen, dass vielleicht bei einem Denkspiel weniger hohe Ansprüche an technische Aspekte gestellt werden als bei einem Actiontitel, oder schlichtweg daran, dass ich derartige Spiele einfach mag, bislang aber vor allem an der Konsole relativ wenige gespielt habe. Auch wäre es schlicht unfair, dem Spiel vorzuwerfen, mein Verlangen nach einer tiefgründigen Mysterygeschichte oder denkmusterverändernden Rätseln nicht erfüllt zu haben. Mit seinem ruhigen, entspannenden Gameplay hat mir The Pillar: Puzzle Escape auf jeden Fall auch so Freude bereitet und mir zumindest kurzzeitig das Gefühl gegeben, vermutlich cleverer zu sein als ich eigentlich bin. Wem der Preis für ein im Grunde aufgehübschtes Rätselheft vom Bahnhofskiosk etwas zu hoch erscheint, kann ja auch einen Sale warten oder greift zur iOS Version, die mit 4,99 EUR deutlich günstiger ist.

Xbox One Review: Unto The End

Auch wenn es sich nach einem abgedroschenen Marketingspruch anhört, bin ich doch der Meinung, dass heutzutage Gaming so vielseitig wie nie ist, werden doch die unterschiedlichsten Geschmäcker und Zielgruppen bedient. Die Bandbreite reicht von Titeln für den professionellen E-Sport bis zu zugänglichen Multiplayerspielen, in denen man Freunde trifft, vom mobilen Casualgame über neu ersonnene Retrospiele, sich stetig verändernde Live-Games und Indie-Entwicklungen mit kulturellem Anspruch bis hin zu AAA-Blockbuster, die in Sachen bombastischer Inszenierung seit längerem Hollywood-Produktionen das Wasser reichen können. Und mit dem Genre der „Souls“-Like werden jene Spieler und Spielerinnen versorgt, die sich gerne mit Bedacht und Hartnäckigkeit an bockschweren Machwerken wie Dark- oder Demonsouls die Zähne ausbeißen wollen.
Unto the end Unto The End vom 2-Personen-Entwicklerteam 2Ton Studio ist als sidecrollender „Actiontitel“ zwar in einem etwas anderen Genre beheimatet, teilt mit den erwähnten Spielen aber einen immensen Schwierigkeitsgrad, das methodische Vorgehen und den knappen Umgang mit Informationen und Ressourcen. Das Spiel ist seit Kurzem für PC und Stadia sowie Switch, PS4 und XBox one für ca. 25 EUR erschienen, wobei mich Publisher Big Sugar Games freundlicherweise mit einem Code für die XBox One Version versorgt hat. Dass es sich bei Unto The End um ein etwas außergewöhnliches Spiel handelt, macht unter anderem die kleine Texteinblendung deutlich, die auf eben dieses sowie die Tatsache hinweist, dass man behutsam vorgehen soll, bevor man als grimmiger Nordmann ohne jegliches Start- oder sonstiges Menü unvermittelt in eine karge Schneelandschaft geworfen wird. Zwar werden zu Beginn noch zumindest die grundlegendsten Interaktionsmöglichkeiten mit kleinen Symbolen erläutert, ansonsten hält sich der Titel mit Erklärungen zum Spiel so stark zurück, dass selbst der Hinweis auf ein vorhandenes Tutorial eher der Mail des Publishers denn dem Spiel selber zu entnehmen war. Im Grunde ist Unto The End ein Actionadventure aus der Seitenperspektive, legt den Fokus aber ganz klar hammerharte Schwertkämpfe, die zumindest in der Theorie einerseits eingängig und dennoch finessenreich sind. Dank weniger, gezielt platzierter Gegner sind die Konfrontation pointiert in Szene gesetzt und wirken fast schon wie in sich geschlossene Abschnitte. Dreh- und Angelpunkt sind dabei hohe und tiefe Angriffe, die sowohl vom namenlosen Protagonisten als auch von den verschieden bewaffneten mensch(enähn)lichen Widersachern eingesetzt werden können. Da dem Blocken eine hohe Bedeutung beigemessen wird, lassen sich die entsprechenden Positionen durch einfaches Hoch- und Runterdrücken des linken Analogsticks einnehmen. So gilt es, die gegnerischen Angriffe blitzschnell zu erkennen und abzuwehren, bevor zum Gegenangriff übergegangen werden kann. Darüber hinaus bereichern noch weitere Aktionen wie Ducken, ein Bodycheck, Finten und ein schleuderbarer Dolch das Geschehen, und die ausreichend detaillierten Animationen verleihen den Auseinandersetzungen entsprechendes Gewicht mit realistisch wirkenden Schlägen. Doch trotz der relativ klaren Strukturierung hat es bei mir einfach nicht „Klick“ gemacht. Selbst auf dem unmittelbar von „Standard“ auf „Hilfe“ heruntergeschraubten Schwierigkeitsgrad, der die Animationen der gegnerischen Attacken etwas verlangsamt, gelang es mir nicht zuverlässig, die Angriffe zu parieren beziehungsweise eigene erfolgreich auszuführen. Dementsprechend wurden für viele Kämpfe gleich mehrere Dutzend Anläufe benötigt, auch weil die meisten Feinde relativ viele Treffer vertragen, während man selber teils bereits nach einer ein- oder zwei-Treffer Combo das zeitliche segnet, ganz zu schweigen von Passagen, in denen man von gleich zwei oder drei Widersachern umzingelt ist. Und auch nach einem überstandenen Handgemenge hatte ich nicht das Gefühl, dass dieses meinen verbesserten spielerischen Fähigkeiten zu verdanken war, sondern eher hartnäckigem Trial-and-Error. Daher würde ich Unto The End weniger als herausfordernd sondern schlichtweg als schwer bezeichnen, vor allem, da einige technische Aspekte weitere Hürden bereitstellen, die zugegebenermaßen eventuell auch der von mir gewählten Plattform und meinem Setup geschuldet sind. Denn oftmals bedient sich Unto The End einer weit entfernten Kamera, womit zwar außerhalb der Kämpfe die einsamen Landschaften gut zur Geltung kommen, sich in den Duellen aber die subtilen Hinweise in den Bewegungen nur schwer ausmachen lassen, vor allem, wenn man von der Couch aus auf einem nicht allzu großen Fernseher zockt, statt beispielsweise das Spielgeschehen auf einem Handheld oder PC-Monitor direkt vor Augen zu haben. Und obwohl zu Beginn einer bedrohlichen Situation oft etwas herangezoomt wird, verliert sich dieser Effekt gerne wieder in den zwingend nötigen Positionswecheln. Praktisch unspielbar wird das Ganze, wenn Gegner und Spielfigur hinter Vordergrundobjekten verschwinden, die der schlichten, aber stimmungsvollen Szenerie mehr räumliche Tiefe verleihen sollen.
Unto the endIn Kombination mit dem minimalen Interface sorgt die spezielle Darstellung auch an anderen Stellen für Probleme: der lediglich durch Verletzungen dargestellte eigene Gesundheitszustand lässt sich nur schwer einschätzen, und in den oft besuchten Höhlenabschnitten ist es einfach nur anstrengend, auf einen winzigen, vom eigenen Fackellicht beleuchteten Bereich zu starren, während ein Großteil des Bildschirms in tiefes Schwarz gehüllt ist. So lassen sich auch nur schwer Stellen ausmachen, an denen Materialien wie Knochen oder Kräuter eingesammelt werden können, um Blutungen zu stillen oder die Rüstung zu verbessern. Denn auch wenn es in Unto the End primär um die Kämpfe geht, deren komplettes Bewegungsarsenal bereits von Anfang an zur Verfügung steht, wird das Spielgeschehen durch einigen anderen Mechaniken bereichert. Vereinzelte, sofort tödliche Fallen, die mit bedächtigen Bewegungen zu erkundende Umgebung und ein leichter Anflug von adventureartigem Gegenstandeinsatz wecken Erinnerungen an Limbo oder gar Another World bzw. Out of this World, nehmen jedoch einen sehr viel geringen Stellenwert als in diesen Titeln ein. Ebenso muss man bei Unto The End auf eine wendungsreich erzählte Geschichte verzichten. Vielmehr begleitet das Spiel den nordischen Krieger auf seinem relativ gradlinigen Weg nach Hause und präsentiert dabei einige Versatzstücke und Szenerien einer harschen und erbarmungslosen Welt. Somit ist das Ambiente der schroffen Berglandschaft auch nicht besonders vielseitig, auf (vertonte) Dialoge muss man in Ermangelung tiefergehender Charakterinteraktion ebenfalls verzichten. Wenigsten fängt die flächige Grafik im Illustrationsstil mit Ihren leicht ausgewaschenen, gedeckten Farben gut die trostlose Stimmung ein und kleine Animationen wie aufgewirbelter Schnee oder flatternde Banner verleihen den Umgebungen Leben. In Sachen Präsentation hat aber vor allem das Sounddesign ein Lob verdient und wird dem cineastischen Anspruch am ehesten gerecht. Dabei verzichtet Unto the End auf herkömmlichen Einsatz von Musik und stellt dafür zur Untermauerung des Settings die Umgebungsgeräusche wie den fröstenden Atem des Protagonisten oder die beißenden Böen des eisig Windes in den Vordergrund, während einige düstere Akkorde, entferntes Grollen oder Hornsignale Spannung aufbauen und unheilschwanger die nächsten Auseinandersetzungen ankündigen. Zusammen mit dem Mangel jeglicher Erklärungen über die Art oder Herkunft der Gegner, die trotz klarer mythologischer Ausrichtung viel Freiraum für eigene Interpretationen lassen, baut dieses teilweise einen fast schon unheimliche Klangteppich mit intensiver Atmosphäre auf, und weckt vor allem in den Untergrundpassagen Erinnerungen an Teile aus dem Film „der 13te Krieger“, auch wenn sich das Spiel mit einer Auflösung zurückhält und nach kurzer Netto-Spielzeit selbst die beiden möglichen, unspektakulären Enden recht schlicht präsentiert. Stattdessen bleibt es seinem verschlossenem und leicht mysteriösen Charakter treu, indem es einige Konfrontationen optional oder gar friedlich lösbar hält, ohne dafür genauere Anleitungen oder Hinweise zu geben.
Unto The End zeigt deutlich, wie subjektiv Tests und Reviews sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass manche von den schweren Kämpfen und dem akribisch anzugehenden Gameplay angetan sind, und diese können gerne die Bewertung um eine Stufe erhöhen, doch mich hat das Spiel trotz anfänglichem Interesse überraschend kalt (ha) gelassen. Das stimmungsvolle Ambiente und die interessanten Ansätzen reichen nicht aus, um über designtechnische Unzulänglichkeiten, den hohen Schwierigkeitsgrad und das letztendlich belohnungsarme Gameplay hinwegzutrösten, zumal der Preis für das Spiel relativ hoch angesichts des eigentlich recht überschaubaren Umfangs ausfällt.