Beiträge zu 'indiegames'

hot in herre: the floor is lava

the floor is lava

Was sich mit etwas Talent aus dem Entwicklungswerkzeug Arcade Game Studio herausholen lässt zeigen Spiele wie Maximus Action Carnage vom Schöpfer des Editors Bruno R. Marcos. Bei weitaus weniger Begabung kommt so etwas heraus wie mein erster ARGS-Versuch the floor is lava, der zumindest von netter Röhrenfernseher-Optik und der soliden Plattform-Mechanik, die die Software mit sich bringt, profitiert.

Artpop: Action Painting Pro

action painting pro
Auf den ersten flüchtigen Blick könnte man Action Painting Pro von Ian MacLarty als typischen PC-Indieplattformer mit einem netten Konzept für die Spielmechanik und etwas schwammiger Steuerung halten. Drei permanent abnehmende Energiebalken, die sich nur durch Aufsammeln unterschiedlich farbiger Symbole wieder auffüllen lassen und damit einhergehend sich ständig neu anordnende Plattformen sprächen dafür. Seinen wahre Natur als videospielgewordene Jackson-Pollock-Simulation offenbart die Software aber nach dem Kontakt mit dem guten halben Dutzend an weiteren Items. Denn dadurch verwandelt sich das anfangs in schlichter schwarz-weiß-Optik daherkommende Hüpfspielchen zur interaktiven Kunstperformance und lässt die Spielfigur zum Klang- und Zeichenwerkzeug werden, das den sich ständig neu generierenden Klangteppich beeinflusst, Linien hinter sich herzieht, Farbe in diverse Himmelsrichtungen tropfen lässt oder den zur Leinwand gewordenen Bildschirm sonstwie verändert. Doch mit genau diesem Spagat zwischen Spielspaß und Kunst steht sich das Nongame-Game teilweise selbst im Weg. Während man sich mit der Zeit an die trägen Kontrollen gewöhnt hat und sich über die ästhetische Qualität der „erspielten“ Bilder zumindest streiten lässt verkommt der Sound weitestgehend zur unerträglichen Kakophonie und lässt den Lautstärkeregler gen Nullstellung wandern. Und auch wenn der Entwickler nach eigenen Aussagen die erzeugten Grafiken als alternatives Belohnungssystem an Stelle von Punkten ersonnen hat könnte der Titel durchaus von diesen klassischen Spielkonzept profitieren, zumal er eben an anderer Stelle stark auf das konventionelle Regelwerk des Jump-and-Run Genres setzt. In Anlehnung an Super Crate Box wäre beispielsweise ein Wertungssystem je aufgesammelten Gegenstand denkbar – Die erschaffenen Bilder würden dann als Visualisierung des erspielten Ranges zusammen mit dem Highscore auf einer Webseite präsentiert werden. Was ist schließlich Kunst ohne den Betrachter?
Nichts desto trotz übt Action Painting Pro als gelungenes Kunst-Experiment eine nahezu hypnotische Faszination aus und spornt in der Hoffnung auf die Erschaffung eines einmaligen Meisterwerks zu immer neuen Durchläufen an.

Paul Koller Interview

8bit-ninja im Interview mit Paul Koller.

Paul Koller8bit-ninja: Stell dich doch bitte einmal vor.

Paul Koller: Mein Name ist Paul Koller, ich bin 37 Jahre alt und entwickle in meiner Freizeit Spiele für den C64.

8bit-ninja: Du bist hauptsächlich für deine C64 Versionen von canabalt, VVVVV, super crate box und super hexagon bekannt. Was macht für dich den größten Reiz an der Portierung von Indiespielen auf den Commodore 64 aus und wie gehst du bei der Wahl eines passenden Titels vor?

Paul Koller: Der Reiz besteht für mich hauptsächlich in der technischen Herausforderung, die Essenz eines modernen Spiels auf eine Plattform zu übertragen, die nur einen Bruchteil der Fähigkeiten des ursprünglichen Systems bereitstellt. Darüber hinaus gibt es in aktuellen Indietiteln viele neue interessante Spielideen, die nicht unbedingt die technischen Fähigkeiten der Plattformen benötigen, auf denen sie laufen. Somit kann ich etwas Neues auf den 30 Jahre alten Computer bringen, mit dem ich aufgewachsen bin. Genau so wähle ich auch meine Spiele aus, sprich ich suche einen Titel mit einem interessanten Konzept, das es damals noch nicht gab und dessen Portierung sich technisch bewerkstelligen lässt, beispielsweise nichts mit komplexer 3D Grafik.

8bit-ninja: Und wie eng arbeitest du mit den Entwickler der ursprünglichen Spiele zusammen?

Paul Koller: Üblicherweise sind diese erst recht spät involviert, wenn das Spiel bereits in einem fortgeschrittenen Stadium ist, bei dem ich mir sicher bin, dass ich es auch fertigstellen kann. Die meisten Entwickler freuen sich sehr über die Ports, obwohl sich ihr Beitrag häufig auf das Coverdesign (C64anabalt) oder auf Q&As (SuperBreadBox) beschränkt.

8bit-ninja: Wäre es für dich auch mal interessant, ein Spiel komplett von Grund auf zu entwickeln, anstatt ein bestehendes zu portieren?

Paul Koller: Wie schon erwähnt steht für mich hauptsächlich die technische Herausforderung im Vordergrund. Ein neues Spielkonzept zu entwickeln ist ziemlich schwierig, und schon einen Prototypen für den C64 zu entwickeln ist nicht leicht. Der größte Aufwand besteht darin, eine funktionierende Spiele-Engine zu programmieren, womit die Erstellung eines Prototypen fast ebenso aufwändig ist wie die Entwicklung des kompletten Spiels. Solange ich Spaß an dem habe, was ich mache, konzentriere ich mich momentan auf Portierungen.

8bit-ninja: Ich habe gehört, dass du mehrere C64-Computer besitzt, aber die meisten Leute werden wohl deine Demakes an einem PC mit Emulator und Tastatursteuerung spielen. Berücksichtigst du das bei der Entwicklung? Was ist deiner Meinung nach die beste Art und Weise, deine Spiele zu spielen?

Paul Koller: Der Vorteil (und die Herausforderung?) des C64 ist, dass er prinzipiell nur Joysticks mit einem Knopf unterstützt, was man beim Entwurf der Steuerung im Hinterkopf behalten muss.
Manch einer mag zwar lieber einen separaten „Hüpf-Knopf“ anstatt „Joystick-nach-oben“ wie in den alten Zeiten, aber für mich fühlt sich „hoch zum Hüpfen“ natürlich an, ich habe damit kein Problem. Eine andere „Widrigkeit“ mit Emulatoren ist, dass die Bildwiederholrate oft nicht automatisch mit dem Bildschirm abgeglichen wird, während ein an einen alten Fernseher angeschlossener C64 ein ruckelfreieres Bild schafft. Für das beste Erlebnis würde ich jedem empfehlen, meine Spiele auf einem original C64 an einem Röhrenfernseher zu spielen.

8bit-ninja: In den letzte Jahren verfolgen mehr und mehr Indiespiele einen Retroansatz mit 8Bit-Optik und -Gameplay. Wie stehst du dazu, inbesondere in Hinblick auf deine recht „authentische“ Auffassung von Retro?

Paul Koller: Moderne Spiele im Retrolook nutzen die Optik häufig entweder als Stilmittel oder schlicht aufgrund der Tatsache, das sie sich einfacher erstellen lassen als realistischere Grafiken. Ich persönlich mag einen solchen Look, erinnert er mich doch an die Tage, als eine solche Optik eher in den technischen Beschränkungen denn einer bewussten Entscheidung begründet war. Andererseits bin ich mir nicht ganz sicher, was du mit „8Bit Gameplay“ meinst. Tatsächlich wurden viele schlechte Spielideen in der Frühzeit der elektronischen Unterhaltung geboren und ich bin ehrlich gesagt froh darüber, das Konzepte wie begrenzte Anzahl an Leben, spartanisch gesetzte Checkpoints oder Levelfortschritt, der nur aus veränderter Grafik besteht, inzwischen der Vergangenheit angehören.

8bit-ninja: Wenn man mal Zeit, Geld und Aufwand außen vor lässt: Von welchem Spiel würdest du gerne eine C64-Version erstellen oder spielen?

Paul Koller: Nun, es gibt einige nette größere Indiespiele wie Cavestory oder SuperMeatBoy, die auf dem C64 großartig funktionieren würden, aber das Ganze würde so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass ein kleines Team es wohl kaum in ihrer Freizeit umsetzen könnte.

8bit-ninja: Auch wenn du gerade erst micro heaxagon veröffentlicht hast, gibt es bereits schon Ideen und Pläne für kommende Projekte?

Paul Koller: Es gibt einen Haufen Ideen, aber im Augenblick experimentiere ich noch etwas herum, um ein geeignetes Projekt zu finden… Also nein, keine neuartige Enthüllung hier 😉

8bit-ninja: Vielen Dank für das Interview.

Alpha-bet: Panzer Dragoon Ortca

Vor allem SEGA nutzte die spielerische Begrenztheit von Railshootern häufiger, um in mehrerlei Hinsicht beeindruckende Optik auf den Schirm zu zaubern. Egal ob die vom französischen Comickünstler Möbius inspirierte und teilweise mitentwickelte Panzer Dragoon Serie oder Tetsuya Mizuguchis synästhetischer Trip REZ, beide Titel zeichnen sich vor allem durch einen unverkennbaren Grafikstil denn durch spielerischer Komplexität aus. Irgendwo zwischen letztgenannten und einer im Tron-Universum angesiedelten Unterwasserwelt weiß auch das noch in der Entwicklung befindliche Indiegame Orca mit seinen recht simplen, in Neonfarben erstrahlenden Strukturen zu gefallen. Bei der Steuerung hat Entwickler turezuresoft in Anbetracht der mit 0.22 betitelten noch recht frühen spielbaren Version bereits ebenfalls ganze Arbeit geleistet und lässt den Killerwal per Tastatur Projektilen und Hindernissen ausweichen, während mit der Maus ein recht ansehnliches Arsenal unterschiedlicher Waffen abgefeuert wird. Selbst das bei dieser Art von Spielen aufgrund der Perspektive häufig etwas problematische Einschätzen der gegnerischen Schüsse ist dank „Einschlagsindikator“ gut gelöst. Der Grundstein ist also gelegt und lässt auf Großartiges hoffen, lediglich das Leveldesign überzeugt momentan noch nicht wirklich. In den auf zwei Welten aufgeteilten 14 kurzen Level warten die in simplen Formationen auftretenden Widersacher regelrecht auf Ihren Abschuss und stellen dank minimaler Gegenwehr kaum eine Herausforderung dar. Auch die beiden Levelbosse warten eher mit Zähigkeit denn ausgefeilten Angriffsphasen auf. Bleibt zu Hoffen, dass das vermutlich in Einzelarbeit entstehende Projekt die Kurve kriegt und in Zukunft wie angekündigt die bereits jetzt schon vorhandenen, vielversprechenden Elemente mit packendem Gameplay zu einem spaßigen Ganzen vermengt. Zu Wünschen wäre es auf jeden Fall.

Boson-X: I quant to run

boson-x
Bereits im Punch-Quest Post habe ich keinen Hehl aus meiner skeptischen Einstellung gegenüber der Gattung der Endless Runner gemacht. Unzählige Reskins des gleichen Konzepts, bei dem mit zwei bis drei Aktionsmöglichkeiten die Hindernisse der prozedural generierten Endloslevel überwunden werden, scheinen mir oftmals recht belanglos und stark zufallsbestimmt zu sein und vor allem in Form von Free-to-play auf mobilen Geräten vorrangig als Mittel zum Zweck für die Erfüllung diverser Miniaufgaben zu dienen, die sich natürlich unter Zuhilfenahme echten Geldes leichter erfüllen lassen. Boson X, das gratis für PC, Mac und Linux erhältlich ist, benötigt keine einsammelbare Währung oder Perks und verleiht dem Genre dennoch wortwörtlich einen interessanten Dreh.
Dem Zwei-Mann-Entwicklerteam Mu & Heyo dienten nach eigenen Aussagen Super Hexagon als Inspiration, persönlich fühle ich mich etwas an Trailblazer erinnert, und das Setting im Innern eines Teilchenbeschleunigers, die Low-Poly-Grafik sowie die einfache, klare Farbgebung wecken wohlige Erinnerungen an die Introsequenz des Amigaklassikers Another World.
Auf der Suche nach neuen Partikeln rennt man in Gestalt eines Professor (man beachte die Lederflicken an den Ellenbogen des Jacketts) über die Plattformen eines endlosen Tunnels und lässt diesen rotieren, um möglichst häufig in Kontakt mit den blaue Abschnitte zu kommen, die dauerhaft die Geschwindigkeit und somit den Energiezustand des Leerkörpers Lehrkörpers erhöhen (Wie jeder weiß: T= ½mv2). Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, dass Sprünge nur auf der gleichen Ebene oder auf direkt benachbarte Spuren möglich sind und dass auch längeres Drücken nach links oder rechts den Charakter länger in der Luft dem elektrischen Feld innerhalb der Vakuumröhre hält, geht die Steuerung locker von der Hand und Boson-X entwickelt seinen ganz eigenen, von akzeptabler tranciger Musik untermalten, hypnotischen Reiz.
Ein Energielevel von 100% wechselt nicht nur in einen, durch einen leider recht ablenkenden Verzerreffekt eingeleiteten, Alternativmodus der mehr und mehr zum Hochgeschwindigkeitsrausch wird, sondern schaltet auch weitere Level frei, die Herausforderungen wie kollabierende oder bewegliche Plattformen oder gefährliche Blitze enthalten und letztendlich mit der Entdeckung des ominösen X-Bosons locken.
Sein volles Suchtpotential entfaltet Boson-X schließlich durch die Online-Highscore Liste, in der die besten Energielevel verewigt werden und deren Top 10 auch auf der Webseite einsehbar sind.

P.S.: Es würde mich interessieren, ob auch andere das Problem haben, bei der Angabe des Namens für die Highscore-Liste die Ziffer 8 zu verwenden, so dass ich gezwungen war, unter dem Namen 7bitninja (zumindest für den Moment) in den 10 besten Forschern aufzutauchen.

where’s your head(blaster) at?

Man möge dem brasilianischen Entwickler Loud Noises den etwas forschen Umgang mit den Themen „verschreibungspflichtige Medikamente“ und „ausufernde Gewaltexzesse“ bei der Bezeichnung ihres Erstlings Headblaster als „schnellen drogenbetriebenen non-stop Marathon der Raserei“ nachsehen, umschreibt diese Formulierung das Arcade-Spiel doch eigentlich recht treffend. Und nüchtern betrachtet dreht sich beispielsweise auch bei Pacman alles um den Konsum von Pillen, die teilweise einen kurzen positiven Effekt versprechen, der dann aber schnell wieder abklingt und nur durch erneute Anwendung wiedererzeugt werden kann. Der Vergleich mit Namcos Klassiker ist dabei gar nicht mal so unangebracht, steckt doch auch ein Quäntchen der Labyrinth-Action in Headblaster. Andere Zutaten in diesem adrenalinfördernden Drogencocktail sind ein Hauch der GTA Amokmissionen (ohne Waffen) und eine gehörige Portion unkomplizierter schneller Arcade-Action a la Super Crate Box. An letztgenannten Titel erinnert auch die pixelige Grafik, garniert mit Neonfarben und Glich-Effekten, abhängig von eingeworfener Substanz und Stresslevel, der das zentrale Spielelement ausmacht: Die in dem prozedural generierten Städtchen verteilten Pillen senken die stetig anschwellende und durch Kontakt mit der Obrigkeit in die Höhe schießende Stressanzeige, was eigentlich eine gute Sache ist, droht doch bei maximaler Ausprägung das Game Over durch Hirnexplosion. Andererseits lassen sich Punkte bringende Passanten, Polizisten und Soldaten nur unter Dampf stehend durch simplen Körperkontakt erledigen – je mehr desto besser. Zudem steigt nicht nur die Laufgeschwindigkeit mit dem Stresslevel, auch die Kontrolle über den kleinen Junkie, die dank einfacher Maussteuerung ebenso auf das Wesentliche reduziert ist wie das grundlegende Gameplay, wird um so schwieriger, je mehr sich der Balken dem roten Bereich nähert. Und auch wenn die zufällige Verteilung der Drogen einen Einfluss auf die Chancen des nächsten Highscores haben, stellt sich schnell das Nur-noch-einen-Durchlauf Phänomen ein.
In diesem Sinn: 3x täglich nach den Mahlzeiten Headblaster mit ausreichend Flüssigkeit konsumieren und es sollte sich rasch eine gemütsaufhellende Wirkung einstellen – zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte das Loud Noises Team, von dem man in Zukunft hoffentlich noch mehr sehen wird.

Groovyman is in the heart

Super Groovy Man loses the ability to control when he jumpsEgal ob die wenigen verbleibenden Jump&Runs der großen Hersteller wie Donkey Kong Country Returns oder Rayman Legends oder die unzähligen Hüpfspielchen der Indieentwickler – Essenzieller Bestandteil des Genres sind knifflige und mit Hindernissen gespickte Passagen, die mit gut getimeten Sprüngen überwunden werden. Die Kontrolle über letztere wird dem Spieler im kaum treffender benannten Spiel Super Groovy Man loses the ability to control when he jumps (dessen EXE-Datei und Splashscreen allerdings schlichterweise jumpgame betitelt ist) entzogen. stattdessen gibt ein Countdown vor, wann der nächste Hopser ansteht. Als großer Freund der Einbindung dynamischer Musik in das Spielgeschehen (wie zum Beispiel in Chompston) finde ich es etwas schade, dass Entwickler Elektron es versäumt hat, die Sprünge mit dem Soundtrack zu synchronisieren, zumal dieser weniger Groovy ausfällt als der Titel vermuten lässt.
Abgesehen davon ist SGMLTATCWHJ ein süßer kleiner Plattformer, der in gerade mal 5 bis 10 Minuten durchgespielt werden kann und dabei eine niedliche Geschichte erzählt. Außerdem wartet die minimalistischen Grafik in Schwarz, Orange und Lila mit einem trippigen Strahleneffekt auf, der den Eindruck erweckt, dem Titelhelden schiene die Sonne aus dem Arsch Herzen.

papers, please

papers, pleaseImmer wieder wird proklamiert, dass Computerspiele den Ursprüngen als kindgerechte Unterhaltungsprodukte entwachsen seinen und sich als Kunstform auch anspruchsvollen und erwachsenen Themen widmen müssen. Meiner Meinung nach leiden derartige Spiele aber allzu oft darunter, die zu transportierenden Inhalte vor die Spielmechanik zu stellen und somit den Medium nicht gerecht zu werden, und versuchen zudem mit erzählerisch recht direkten und grobschlächtigen Mitteln, ihren Standpunkt zu unterstreichen. Spiele wie Papo & Yo oder 1378km schreien förmlich „Ich bin Kunst und habe eine Message, also bewerte mich nicht nach klassischen Spiele-Maßstäben“.
Ein Beispiel für etwas gelungenere Unterhaltung jenseits von Pilzkönigreichen und außerirdischen Angreifern bietet Lucas Popes Spiel Papers, Please, dessen Beta kostenlos auf dukope.com erhältlich ist.
In diesem „dystopischen Dokumenten Thiller“ übernimmt der Spieler die Rolle eines Kontrolleurs am Grenzübergang des fiktiven, kriegsgebeutelten kommunistischen Staats Arstotzka in den 1980ern. Um der Familie ein warmes Dach über dem Kopf und Nahrung bieten zu können, müssen anhand der vorgelegten Papiere und täglich komplexer werdenden Vorschriften Einreiseanträge genehmigt oder Widersprüche in den Dokumenten aufgedeckt werden.
Was nach langweiliger Büroarbeit klingt entwickelt nach kurzer Zeit seine ganz eigene Faszination. Dem Spiel gelingt es dabei perfekt, mit minimalistischen Mitteln eine unbehagliche Stimmung und innere Zerrissenheit zu erzeugen: Einerseits erfreut man sich daran, mit detektivischem Spürsinn beispielsweise die Ungültigkeit eines Arbeitsvisums aufgedeckt zu haben, andererseits wird man nicht selten mit den herzzerreißenden Einzelschicksalen dahinter konfrontiert. So hat ein einfacher Zettel, den mir eine Frau zusammen mit Ihren Einreiseunterlagen aushändigte, bei mir eine größere emotionale Regung bewirkt als die komplette erste Episode von Telltales The Walking Dead.
Absolut bemerkenswert ist zudem das Zusammenspiel aus grafischer Präsentation und Bedienoberfläche. Papers Please weiß mit bewusst reduziertem Retrolook, der auch spielerische Auswirkungen hat, zu gefallen und erinnert mit Sicherheit nicht von ungefähr an russische Propagandaplakate, während die thrillerkompatible Splitscreenoptik ausreichend Platz für das hervorragende und größtenteils intuitive Klick and Drag Interface bietet. Um die bürokratischen Vorgänge konsequent zu simulieren werden so Gesprächsmitschnitte, Unterlagen und Dienstanweisungen zur näheren Untersuchung auf den Schreibtisch gezogen und sortiert, Stempel und Schalter werden betätigt und ein Paar Klicks reichen aus, um in sich nicht schlüssige Elemente hervorzuheben und somit in Beziehung zueinander zu setzen.
Alles in allem hat die Beta von Papers Pease mit seinen acht Schaltertagen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und bewiesen, dass sich spielerischer und inhaltlicher Anspruch nicht ausschließen müssen.

Contralogis kompaktes Gratisspielchen Chompston mutet wie das bei Tetsuya Mizuguchi aufgewachsene uneheliche Kind von Bomberman und Ms. Pacman an. Denn ähnlich wie in Lumines oder Rez beeinflusst jede Aktion in den zufällig generierten Labyrithen wie Punkte fressen oder Bomben legen (womit auch schon das Spielprinzip weitestgehend beschrieben wäre) den Soundtrack und erzeugt so einen stimmigen, interaktiven Klangteppich. Gute Spielbarkeit und knuffig saubere Retrooptik runden den Gesamteindruck eines gelungenen kleinen Labyrinthspiels alter Schule ab und motivieren stets zu einer kleinen Runde Chompston zwischendurch.

Vor gut zwei Jahren sinnierte ich hier noch über das ideale Konzept und die Chancen einer Casting-Show für Gamedesigner, nun geht das Web-Format The Next Game Boss bereits in die zweite Staffel. Zwar richtet nicht wie gefordert Peter Molyneux über die Schicksale der 8 Indie-Entwicklerteams, doch mit Lisa Foiles (Journalistin für TGS, Kotaku), Jenova Chen (journey, flower, flow) und David Jaffe (twisted metal, god of war) ist die Jurie nicht minder prominent besetzt und steht einem Bill Kaulitz oder Boss Hoss in nichts nach.
Naturgemäß gehen die Episoden in Aufmerksamkeitsspannen-freundlicher Länge von 15-20 Minuten nicht so sehr ins Detail wie ein „klassischen“ ein-Stunden TV-Block, erfüllen aber auch so die meisten (guten) Casting-Show Standards und machen definitiv Lust auf mehr.