papers, please

papers, pleaseImmer wieder wird proklamiert, dass Computerspiele den Ursprüngen als kindgerechte Unterhaltungsprodukte entwachsen seinen und sich als Kunstform auch anspruchsvollen und erwachsenen Themen widmen müssen. Meiner Meinung nach leiden derartige Spiele aber allzu oft darunter, die zu transportierenden Inhalte vor die Spielmechanik zu stellen und somit den Medium nicht gerecht zu werden, und versuchen zudem mit erzählerisch recht direkten und grobschlächtigen Mitteln, ihren Standpunkt zu unterstreichen. Spiele wie Papo & Yo oder 1378km schreien förmlich „Ich bin Kunst und habe eine Message, also bewerte mich nicht nach klassischen Spiele-Maßstäben“.
Ein Beispiel für etwas gelungenere Unterhaltung jenseits von Pilzkönigreichen und außerirdischen Angreifern bietet Lucas Popes Spiel Papers, Please, dessen Beta kostenlos auf dukope.com erhältlich ist.
In diesem „dystopischen Dokumenten Thiller“ übernimmt der Spieler die Rolle eines Kontrolleurs am Grenzübergang des fiktiven, kriegsgebeutelten kommunistischen Staats Arstotzka in den 1980ern. Um der Familie ein warmes Dach über dem Kopf und Nahrung bieten zu können, müssen anhand der vorgelegten Papiere und täglich komplexer werdenden Vorschriften Einreiseanträge genehmigt oder Widersprüche in den Dokumenten aufgedeckt werden.
Was nach langweiliger Büroarbeit klingt entwickelt nach kurzer Zeit seine ganz eigene Faszination. Dem Spiel gelingt es dabei perfekt, mit minimalistischen Mitteln eine unbehagliche Stimmung und innere Zerrissenheit zu erzeugen: Einerseits erfreut man sich daran, mit detektivischem Spürsinn beispielsweise die Ungültigkeit eines Arbeitsvisums aufgedeckt zu haben, andererseits wird man nicht selten mit den herzzerreißenden Einzelschicksalen dahinter konfrontiert. So hat ein einfacher Zettel, den mir eine Frau zusammen mit Ihren Einreiseunterlagen aushändigte, bei mir eine größere emotionale Regung bewirkt als die komplette erste Episode von Telltales The Walking Dead.
Absolut bemerkenswert ist zudem das Zusammenspiel aus grafischer Präsentation und Bedienoberfläche. Papers Please weiß mit bewusst reduziertem Retrolook, der auch spielerische Auswirkungen hat, zu gefallen und erinnert mit Sicherheit nicht von ungefähr an russische Propagandaplakate, während die thrillerkompatible Splitscreenoptik ausreichend Platz für das hervorragende und größtenteils intuitive Klick and Drag Interface bietet. Um die bürokratischen Vorgänge konsequent zu simulieren werden so Gesprächsmitschnitte, Unterlagen und Dienstanweisungen zur näheren Untersuchung auf den Schreibtisch gezogen und sortiert, Stempel und Schalter werden betätigt und ein Paar Klicks reichen aus, um in sich nicht schlüssige Elemente hervorzuheben und somit in Beziehung zueinander zu setzen.
Alles in allem hat die Beta von Papers Pease mit seinen acht Schaltertagen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und bewiesen, dass sich spielerischer und inhaltlicher Anspruch nicht ausschließen müssen.

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