Xbox One Review: Doom 64 im Test

Wer dachte, Serien wie Final Fantasy oder Need for Speed hätten es im Laufe der Jahre auf viel Vertreter gebracht, sollte mal einen Blick auf die Doom-Reihe werfen. Kürzlich wurde Doom 64 für PC und aktuelle Konsolen veröffentlicht und ich mit einem entsprechenden XBox-Download-Code bedacht, doch ist es wirklich besser als seine 63 Vorgänger? Scherz beiseite, Doom 64 ist natürlich nicht die 64ste Inkarnation des Ego-Shooter-Urgesteins, schließlich wurde die Serie 2016 mit dem schlicht Doom genannten Spiel neu gestartet… ach nee, auch nicht richtig: vielmehr ist das aktuelle Doom 64 die HD-Version der bis dato Nintendo 64 exklusiven Doom-Episode aus dem Jahr 1997. Aber Doom als Urgestein zu bezeichnen ist durchaus passend, denn auch wenn technisch gesehen andere Spiele wie Wolfenstein 3D oder Faceball 2000 noch früher „echte“ dreidimensionale Umgebungen darstellten, durch die man sich frei bewegen konnte, legte Doom im Jahr 1993 noch heute geltende Grundregeln des Ego-Shooter Genres fest, dessen Spiele in den Anfangszeiten auch als Doom-Clone bezeichnet wurde, und darf sich zu Recht eines der einflussreichsten Spiele aller Zeiten nennen. So wegweisend und beeindruckend das ursprüngliche Doom auch war, habe ich mich relativ wenig mit den Nachfolgern auseinandergesetzt und dachte bis vor kurzem, dass Doom 64 lediglich die Portierung des Originals für das N64 sei. Dabei ist es ein eigenständiges Spiel und stellt quasi das verlorene Bindeglied zwischen Doom und Quake dar, auch wenn es ein Jahr nach Quake und von einem anderen Studio entwickelt wurde. Denn während sich die Gegnerschar beim bekannten Pool der spritebasierten Doom-Dämonen bedient, sind die Level um einiges größer und komplexer aufgebaut, verfügen über mehr dynamische Elemente und experimentieren ansatzweise mit farbiger Beleuchtung. Dort setzt auch die behutsame HD Portierung an und verpasst den Umgebungen gestochen scharfe Kanten, etwas besser aufgelöste Texturen und einer unglaublich flotten Framerate. Das macht aus Doom64 längst noch kein modern aussehendes oder gar hübsches Spiel, ist jedoch bei weitem auch nicht so unansehnlich wie befürchtet.

Doom 64 XBox One Screenshot

Vor allem Wände, die großflächig mit einheitlicher Grafik überzogen sind, erzeugen einen ganz eigenständigen Look, eben weil die Texturen nicht allzu viele Details aufweisen. Bei den zoomenden, flachen Sprites hingegen kann auch ein leichter Filter nicht über die pixelige Herkunft der Gegner und ihre abgehackten 2-Phasen Animationen hinwegtäuschen. Zum eingängigen Studium der Grafik bleibt allerdings sowieso kaum Zeit, denn glücklicherweise setzt auch Doom 64 quasi unverändert auf seine arcadelastigen Actionwurzeln. Das eigentlich simple Ziel eines jeden Spielabschnitts ist es, den Ausgang zu erreichen. Auf dem Weg dahin gilt es nicht nur, Schlüsselkarten für abgesperrte Türen einzusammeln oder Gänge und Passagen per Schalter freizulegen, sondern eben auch unzählige Zombiesoldaten und Höllenkreaturen auszuschalten. Dabei orientieren sich die Level weniger an realer, glaubwürdiger Architektur, sondern wurde voll und ganz als Videospiel designt, womit die Entwickler Abwechslung und Spielspaß bei der Gestaltung in den Vordergrund rücken konnten. In den oft labyrinth-artig verschachtelten Umgebungen wechseln sich enge Gänge, in deren Ecken geschickt einzelne Monster platziert wurden, mit offenen Arealen ab, die adrinalingeladene Schlachten gegen größere Feindmassen bereithalten. Dass gelegentlich bereits „bereinigte“ Bereiche dabei erneut durchquert werden müssen stellt nicht etwa einen Mängel dar, denn in der Regel erschließt ein gedrückter Knopf nicht nur neue Wege in eben diesen Gebieten, sondern öffnet auch geheime Nischen, hinter denen neue Feinde lauern, oder lässt sie gleich an Ort und Stelle teleportieren. Mitunter kann es zwar vorkommen, dass man aufgrund der angewachsenen Größe der Spielstufen trotz Karte etwas den Überblick verliert und dann doch auf der Suche nach einem übersehenen Hebel ziellos durch leere Räume streift, im Großen und Ganzen ist aber auch Doom 64 ein Bilderbuchbeispiel für hervorragendes Leveldesign, das den Spieler auf eine Achterbahnfahrt aus spannungsgeladenen, ruhigen Passagen, düsteren Abschnitten und hektischen Kämpfen schickt. Die Steuerung funktioniert dabei wenig überraschend auch auf dem XBox One Gamepad hervorragend, ist sie doch praktisch auf ein Minimum reduziert: neben der Triggertaste zum Schießen und den Analogsticks zum Bewegen und Umsehen benötigt man in der Regel lediglich den A-Button, der Interaktionen mit der Umgebung erlaubt, und die Schultertasten, mit denen sich das überschaubare Waffenarsenal durchwechseln lässt. Ein separater Knopf zum Nachladen? Wozu? Als ob man nach einem abgegebenen Schuss nicht direkt weiterballer wollte! Tasten zu Springen oder Kriechen? Überflüssig! Schließlich kann man die teils trickreich positionierten Geheimbereiche, in denen sich Heilpacks, Munition oder sonstige Goodies verstecken, ebenso gut erreichen, indem man über eine höher gelegene Kante sprintet oder anderweitig die Architektur geschickt nutzt. Noch nicht einmal der Blick nach oben oder unten ist möglich – die Widersacher werden halbwegs automatisch ins Visier genommen, sobald die Waffe mittig auf sie gerichtet wird, womit man sich gänzlich auf die Bewegung im Raum konzentrieren kann. Wer jetzt der Meinung ist, dass Doom64 für erfahrene Shooterspieler somit zum Spaziergang wird, kann diesen Gedanken gleich wieder verwerfen, denn nicht nur auf dem höchsten der fünf Schwierigkeitsgrade werden die späteren der über 30 Level zur echten Herausforderung.

Doom 64 XBox One ScreenshotEinen nicht unerheblichen Anteil daran hat der angriffslustige Gegnerkatalog, der zum einen schwach bewaffnetes Kanonenfutter bietet, das vorzugsweise schnell direkt angegangen werden sollte, als auch dickere Brocken, die zwar langsame, aber um so schmerzliche Projektile verschießen, denen am beste durch einen Seitenschritt ausgewichen wird. Dazu kommt, dass man Gesundheit und schützende Rüstung ausschließlich durch aufsammelbare Items zurückgewinnen kann und keine automatischen Checkpoints gesetzt werden, also immer schön mit Bedacht per Hand speichern. Zur aktiven Verteidigung sind in den Leveln eine knappe Hand voll verschiedene Waffen mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen verteilt, von denen insbesondere die doppelläufige Schrotflinte erwähnenswert ist und sich einen Platz in der Ruhmeshalle der besten Videospielwaffen aller Zeiten redlich verdient hat: mit schmutzig-dumpfem Knall entfaltet sie vor allem auf kurze Distanz ihre verheerende Wirkung, ist aber wegen ihrer geringen Schussfrequenz nicht zu übermächtig und erfordert so neben einem schnellen Abzugsfinger auch eine geschickte Navigation.
Mit der entsprechenden Mischung entwickelt Doom 64 somit trotz eigentlich recht gleichbleibendem Spielprinzip einen ganz eigenen Rhythmus und Tempo, der sehr viel direkter, schnelle und aggressiver ist, als ich es von moderneren Vertretern des Genres gewohnt bin. Quasi der EDM Mix der Egoshooter. Wobei ausgerechnet musikalisch das Spiel etwas hinter seinem Vorfahren zurücksteht. Während vor allem das trashig-rockige Midi-Gedüdel des ersten Ur-Doom-Levels mir nicht nur auf ewig im Gedächtnis bleiben dürfte (und zum Klingelton der Wahl auserkoren wurde), sondern auch kaum treffender für den bevorstehenden Actiontrip sein könnte, setzt Doom64 auf einen düsteren, atonalen Klangteppich, der ebenso gut zu einem Horrorfilm unter der Regie von David Lynch passen würde. Damit ist die Soundkulisse nicht grundsätzlich schlecht, jedoch nicht ganz die treibende Unterstützung, die ich mir erhofft hatte. Zumindest die Umgebungsgeräusche wie aufschließende Türen oder gurgelnde Dämonenbrut weckten hingegen sofort vertraute Erinnerungen. Andere kleine Details, die ich eigentlich ebenfalls mit Doom in Verbindung bringe, vermisse ich jedoch weiterhin. So visualisiert kein Porträt des „Doomguys“ mehr den Gesundheitszustand, und die statischen Zwischenbildschirme, die neben Abschlussstatistiken auch rudimentär den Fortschritt durch die verschiedenen Umgebungen zeigten, sind ebenfalls Geschichte. Daher lässt sich die sowieso schon hauchdünne Hintergrundstory, die den Protagonisten erneut über marsianische Forschungseinrichtungen wortwörtlich zur Hölle schickt, allenfalls an der wechselnden Umgebungsgrafik erahnen, die von kühlem Technodesign zu satanischer Inneneinrichtung samt massenweise Pentagrammen und Schädelhaufen übergeht. Dieses Setting kennt man ebenfalls zu Genüge vom Doom aus den 90ern, hat aber auch 2020 seinen eigenen Charm als wahr gewordenes Death-Metal Cover und wirkt mit der ausreichenden Ernsthaftigkeit stets abgedreht, aber nie lächerlich.

Ursprünglich dachte ich, auf Doom 64 nur einen kurzen, amüsierten Blick zu werfen und es dann als technisch veraltetes Relikt der frühen 3D Spiele auf einer schwachbrüstigen Plattform abzutun. Doch anders als die Optik hat das unkomplizierte, gradlinige Gameplay den Test der Zeit nahezu unbeschadet überstanden und mich mich nach kürzester Zeit an die Konsole gefesselt. Objektiv betrachtet mag der Titel wenig mehr als ein aufgebohrtes Levelpack für das ursprünglich Doom sein, dessen technische Verbesserungen heutzutage kaum erwähnenswert sind. Doch zum Schnäppchenpreis wird ein kurzweiliger Egoshooter geboten, der vielen in den 90ern entgangen sein dürfte und der perfekten simplen Ballerspaß bietet, indem er sich quasi als Gegenstück zu überladenen und mit Systemen vollgestopften aktuellen Vertretern auf die Kernkompetenzen Schießen, Rennen und Erforschen konzentriert.

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