XBox Review: Dorfromantik im Test (XBox One / XBox Series)

Als Hörer vieler englischsprachiger Podcasts finde ich es stets amüsant, dort auf deutsche Wörter zu stoßen, die es in den fremdländischen Sprachgebrauch geschafft haben. Seit März 2021 dürfte sich zu Begriffen wie „Zeitgeist“, „Kindergarten“ oder „Rucksack“ auch das Kunstwort „Dorfromantik“ gesellen, denn zu diesem Zeitpunkt wurde die Early Access Version des gleichnamigen Überraschungshits aus deutschen Landen für den PC veröffentlicht, auf die relativ zeitnah einer Fassung für Nintendo Switch und gar ein physikalisches Brettspiel folgte.
Nach erstaunlich langer Zeit sind nun auch Varianten für Xbox und Playstation verfügbar, und Headup, die für Vertrieb und Portierung verantwortlich sind, waren so freundlich, mir einen Code für die Microsofts Konsolenfamilie zur Verfügung zu stellen.

Native Speaker, für die Anglizismen ein No-Go sind, könnten vielleicht schon dem Titel entnommen haben, das es sich bei Dorfromatik um ein entspannendes Puzzle-und Legespiel handelt, bei dem die Gestaltung von idyllischen Landschaften und Siedlungen im Mittelpunkt steht. Mit seinen zu platzierenden sechseckigen Umgebungskarten ähnelt es dem Aufbau der Siedler von Catan, El Dorado oder auch Carcassonne, ist aber eher verwandt mit ähnlich geformten Puzzeln, bei denen darauf zu achten ist, dass die Kanten übereinstimmen. Im Bereich der Videospiele muss es sich dem Vergleich mit dem von mir als gut bewerteten Match Village stellen, wobei fairerweise davon auszugehen ist, dass Match Village 2024 als Reaktion auf  Dorfromantik entstand und dass beide Spiele trotz vieler Gemeinsamkeiten bei Spielablauf und -Mechaniken auf grundverschiedenen Ausgangssituationen basieren: Insbesondere ist Dorfromantik im wahrsten Sinne des Wortes ein sehr viel offeneres Spiel, denn es geht nicht darum, eine begrenzte Fläche möglichst optimal zu nutzen. Vielmehr kann und muss das bislang gelegte Gebiet praktisch frei an seinen Außengrenzen erweitert werden, um zu Expandieren und unter anderem zu zunächst nur schemenhaft dargestellte Örtlichkeiten auf der Karte aufzuschließen. Zudem zeigen die hexagonalen Kacheln in der Regel nicht nur eine Landschaftsart, sondern bestehen oft aus mehreren Typen, so dass den Kanten und deren Ausrichtung eine sehr viel größere Bedeutung zukommt. Elemente wie Flüsse oder Eisenbahnschienen müssen gar korrekt an entsprechende gleichartige Felder angelegt werden, und auch, wenn sich die meisten anderen Karten theoretisch frei platzieren lassen, macht es Sinn, sie durch Drehen und entsprechende Positionierung so in die Landschaft einzubetten, dass zusammenhängende Flächen gleicher Art entstehen. Denn nur auf diese Weise lassen sich die auf einigen Plättchen vermerkten Aufgaben wie ein Dorf einer gewissen Größe oder eine Wasserstraße, die sich über eine bestimmte Anzahl von Feldern erstreckt, erfüllen. Derartige Missionen sind dann leider die einzige zentrale Spielmechanik von Dorfromatik, wird deren Erfüllung doch kurzfristig nicht nur mit Punkten belohnt, sondern auch der begrenzte und der Reihe nach abzuarbeitende Stapel an Umgebungskarten aufgestockt und so ein vorzeitiges Game Over abgewendet. Übergreifend schalten sie des Weiteren neue Kartenarten sowie spezielle Gebäude frei oder erweitern das Einstellungsmenü um eine Hand voll parallel aktivierbare Themen, die das gestalterische Vorhaben mit einer anderen Kolorierung versieht. Dabei macht die frei dreh- und zoombare Grafik mit ihrer in sanften Farbtönen gehaltenen Mischung aus Papercraft-Look und von kräftigen, schwarzen Strichen akzentuierten Cellshading-Optik eigentlich grundsätzlich eine gute Figur, aus nächster Nähe erscheinen mir persönlich jedoch vor allem Wälder und namensgebende Dörfer obwohl technisch absolut einwandfrei eine Spur zu simpel und langweilig. Gelegentliche animierte Details wie ein vorbeiziehender Vogelschwarm oder langsam über das aufgebaute Schienennetz tuckernde Lokomotiven unterstützen aber doch den meditativen, fast schon modellbauerischen Charakter von Dorfromatik, der darüber hinaus noch von ruhigen Naturgeräuschen nebst gelegentlich eingestreuter entspannender Musik getragen wird. Ein wirklicher Wuselfaktor wie in wirtschaftsgetriebenen Siedlungs-Simulationen will sich jedoch nicht einstellen. Verschiedene Spielmodi erlauben es dafür unter anderem, sich dennoch losgelöst von Kartenbeschränkungen frei der Landschaftsgestaltung zu widmen, während andere mit beispielsweise weniger Quests oder einer fest vorgegebenen Anzahl an ablegbaren Spielsteine zumindest pro Forma eine höhere Herausforderung bieten, die in Online-Highscore-Listen verglichen werden kann, aber selbstverständlich keine neuen Konzepte oder Mechaniken einführen.

Die durchgehend simple Spielmechanik ohne Zeitdruck und minimalistische Bedienelemente kommen auf der Konsole zudem der Steuerung zugute. Zwar hätte ich mir die Möglichkeit gewünscht, die Tastenbelegung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, um z.B. die Ansicht ohne Umgriff auf das Steuerkreuz per Schultertasten rotieren zu können, doch auch mit der unveränderlichen Vorbelegung des Controllers lassen sich die Kacheln anstandslos anlegen und die Welt problemlos navigieren, zumal Fehler mit der B-Taste umgehend behoben werden können. Besonders hilfreich ist, dass die Areale, die durch eine neu zu platzierendes Bauteil erweitert werden, farblich hervorgehoben und die Auswirkungen auf beteiligte Zielsetzungen direkt angezeigt werden. Allerdings kann mit wachsender Größe der Region ein wenig die Übersichtlichkeit verloren gehen, sowohl was Anzahl und Erfüllungsgrad aktiver Aufgaben angeht als auch die Landschafdetails der Bereiche, die sich am entfernten Ende der Ansicht befinden, wobei ich mehr durch Zufall als durch das eigentlich hilfreiche Tutorial entdeckt habe, dass ein Klick auf den linken Stick die Ansicht relativ schnell auf die anvisierte freie Stelle fokussiert, egal wie weit sie vom aktuell betrachteten Geschehen entfernt ist.

Dofromantik im Kontext anderer Konsolentitel zu bewerten ist nicht leicht, ist es in meinen Augen doch mehr digitales Spielzeug als Videospiel. Zwar gibt es Punkte, Regeln und Game-Over-Bedienungen, doch bin ich gerade Angesicht des unbegrenzten freien Platzes und des zunächst steten Nachschubs an zufälligem Baumaterial in den seltensten Fällen strategisch oder überhaupt planend vorgegangen, sondern habe die zu spielende Kachel relativ willkürlich dort abgelegt, wo sie bestenfalls zur offensichtlichen Lösung einer Vorgabe beisteuert oder ansonsten einfach nur „hübsch“ aussieht. Demzufolge kann ich die Anziehungskraft und Begeisterung, die Dorfromantik für Andere als Spiel ausmachen, nicht ganz nachvollziehen. So nett der Anreiz der steten Freischaltung neuer Elemente ist, kann er nicht mit der Freude einer mehrfach-Combo in Match Village mithalten, die auf einen Schlag gleich eine ganze Reihe von vormals belegten Feldern wieder freigibt. Natürlich muss man neidlos anerkennen, dass es sich bei Dorfromantik gerade angesichts vieler Spielvarianten, Grafiksets und individueller Regeleinstellungen um das komplettere Produkt handelt, an dem es auch technisch selbst auf einer XBox One S nichts auszusetzen gibt, unter rein spielerischen Gesichtspunkten würde ich aber dem etwas puzzle-lastigeren Match Village nicht zuletzt aufgrund des günstigeren Preises den Vorzug gewähren.

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