XBox Review: Shantae Advance: Risky Revolution! im Test (XBox One / XBox Series)

Der Gameboy Advance gehört insbesondere in der SP Version zu meinen absoluten Lieblingskonsolen. Ich halte das klappbare Spielgerät im handlich-kompakten Format für eine Meisterleistung industriellen Designs und es war mein erstes Nintendo-Produkt, das ich direkt zum Verkaufsstart und nicht erst Jahre später für die Retro-Sammlung erstanden habe. Demzufolge konnte ich in seiner aktiven Zeit zwischen 2003 und etwa 2006 zahllose erstklassige Vertreter bekannter Spiele-Serien wie Advance War, Metroid, Castlevania, The Legend of Zelda oder die Ursprünge von Wario Ware genießen. Eine Reihe, die dem kleinen Kasten bis dato verwehrt blieb, war Shantae von WayForward. Ein Nachfolger des von den Kritiken zwar hochgelobten, kommerziell aber nicht sonderliche erfolgreichen ersten Game Boy Color Abenteuers der namensgebenden Titelheldin wurde zwischen 2002 und 2004 zwar für den GBA entwickelt, ohne entsprechenden Publisher aber weder zeitnah fertiggestellt noch veröffentlicht. Nun haben sich mehr als 20 Jahre später die kalifornischen 2D Spezialisten mit den Profis für physikalische Retroveröffentlichungen von Limited Run Games zusammengetan und mit Shantae Advance: Risky Revolution! diesen verlorenen Teil der Saga nicht nur als Modul für besagten Handheld veröffentlicht, sondern zudem noch eine spezielle Version dieses neuen, alten Spiels für nahezu alle halbwegs aktuellen Konsolen bereitgestellt. Mir gegenüber war man so nett, mich mit einem Reviewcode für die Xbox zu versorgen.

Auf zeitgenössischer Hardware kann dann im spartanischen Hauptmenü neben einem offensichtlich von Smash Brothers inspirierten Bonus-Spiel für 2-4 lokale Spieler, zu dem ich in Ermangelung ausreichender Mitspieler leider nichts sagen kann, zwischen der ursprünglichen 2004er Handheldversion und der „modernen“ Fassung des Spiels im Storymodus gewählt werden. Letztere behält zwar weiterhin im eigentlichen Spiel die wunderschöne Pixeloptik der tragbaren Konsole bei, tauscht aber in den statischen Zwischensequenzen, in Shop- und Ausrüstungsmenüs sowie an einigen anderen Stellen die 240 × 160 Bildpunkte von Nindendos Taschenkonsole gegen die hochaufgelösten und in kräftigen Farben gehaltenen Cartoon-Grafiken jüngerer Shantae-Spiele aus.  Das ist zumindest ein interessanter Ansatz der „Überarbeitung“ eines klassischen 2D-Spiels, auch wenn in meinen Augen nicht ganz klar ist, warum die Downloadgröße von Shantae Advance: Risky Revolution! dadurch auf gut 4 GB wachsen muss, zumal die bei anderen Retrotiteln übliche Optionen wie Grafikeinstellungen zur Nachahmung des beleuchteten TFT-Bildschirms schuldig bleiben.

Wer die Reihe nicht kennt, könnte anhand von Screenshots oder grober Genre-Einteilung der Meinung sein,  Shantae Advance: Risky Revolution! sei ein klassisches Jump-and-Run. Tatsächlich bewegt sich die junge Halb-Dschinniya-Dame in der Regel hüpfend und springend über in der seitlichen Perspektive gezeigte Plattformen, jedoch macht sie das hauptsächlich, um größere Strukturen zu erkunden und verschiedene Gegenstände und Fähigkeiten zu erlangen, die dann im Rahmen der humorvoll erzählten Geschichte weitere Bereiche zugänglich machen. Damit hat das Spiel mehr Ähnlichkeiten mit Ablegern der Legend of Zelda oder Metroid-Reihe als mit Mario oder Sonic, wobei der Ablauf viel linearer ist kein grundsätzlich offenes, zusammenhängendes Gebiet bereist wird, sondern zwischen einzelnen, in sich geschlossenen Zonen per Flugvogel gewechselt werden. Das ganze ist nötig, da Piratin und Schantaes Erzrivalin Risky Boots mittels einer im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegenden Erfindung nicht nur den Heimatort der Protagonistin, sondern gleich das komplette Land bedroht. Viele der nach und nach ansteuerbaren, thematisch unterschiedlichen Umgebungen sind dabei eher klein beziehungsweise teilweise nur wenige Bildschirme groß und dienen vorrangig dazu, Auftraggeber für Fetchquests und amüsante Zwiegespräche zu beheimaten. Einige Gegenden sind jedoch extrem umfangreich und fungieren als Schauplatz für den Großteil des Gameplays, das weitestgehend dem gleichen Aufbau folgt: Zunächst gibt es einen Außenbereich, der zusätzlich zu mehreren Nebenhöhlen auch ein größeres Verlies aufweist, dessen Eingang erst einmal geöffnet werden muss. In diesen Abschnitten teilt sich das Spielfeld in einen Vorder- und einen Hintergrund, zwischen denen die Hauptfigur an Portalen wechseln kann und die dank der zuvor erwähnten bedrohlichen Maschinerie manipuliert werden können. Zusammen mit anderen Elementen ist diese Wechselwirkung dann auch essentieller Bestandteil für den Zugang  zum Hauptgewölbe, in dessen Inneren sich Shantae mit Hilfe von eingesammelten Schlüsselgegenständen ebenfalls den Weg kämpfend und knobelnd freiräumen muss, um anschließend ihre Kräfte mit einem fordernden Boss-Gegner zu messen. Wie in anderen Spielen der Reihe erlernt und verbesser die Protagonistin auch im Laufe von Shantae Advance: Risky Revolution! die Fähigkeit, sich unvermittelt in verschiedene Tiergestalten zu verwandeln, was für das weitere Vorankommen unabdingbar ist: Als niedliches Äffchen passt sie zum Beispiel durch enge Öffnungen und kann Wände hinauf krabbeln, während sie in Form unterschiedlicher Meeresbewohner ihr Bewegungsrepertoire unter Wasser ausbaut. Jeweils eine teils gut versteckte, teils handlungskritische Zusatzfähigkeit erweitert diese animalischen Verwandlungen noch um eine besondere Gabe wie ein Offensivmanöver. Auch in ihrer menschlichen Daseinsform ist der hilfreiche Halb-Dschinn nicht hilflos und bedient sich wie einst Willow Smith ihrer Haare, um sich per Pferdeschwanz-Attacke der durchaus zahlreichen und regelmäßig neu auftauchenden, aber nicht sonderlich gefährlichen Standardgegner zu entledigen. Die lassen beim Ableben ebenso wie zerstörbare Krüge einerseits mitunter Herzen fallen, mit der sich das angeschlagene Wohlbefinden wieder auffrischen lässt, und andererseits Edelsteine, die sich im Shop in nützliche Upgrades für Angriffe, magische Verteidigungszauber oder anderweitig nützliche Verbesserungen investieren lassen. Und wer besonders geschickt die einzelnen Verwandlungen einsetzt oder die Umgebung bereits besuchter Bereich noch einmal genau inspiziert, findet eventuell Herzcontainer, die die Gesundheit verbessern oder versteckte Tintenfische.

Shantae Advance: Risky Revenge! weiß mit diesem ausgewogenen Mix aus mit Dialogboxen vorangetriebener Story, Erforschen, leichten Rätseleinlagen und lockerer Plattformaction überaus zu gefallen, hat jedoch einige strukturelle Schwächen: Zum einen sind die Aufgabenstellungen teils sehr allgemein gehalten, so dass nach Abschluss eines Hauptziels nicht immer ganz deutlich ist, welche Region anschließend zu bereisen oder was als nächstes zu tun ist. Zwar ergibt sich das oftmals daraus, welche Landstriche zuletzt freigeschaltet wurden beziehungsweise welche Ziele noch keine Belohnung freigegeben haben, dennoch hätten vor allem in einer speziellen Situation etwas eindeutigere Vorgaben nicht geschadet. Gleiches gilt auch für den Fortschritt in den ausladenden Arealen, was vor allem an einer fehlenden Karte liegt. Mehr als einmal war zwar grundsätzlich offensichtlich, welche Schritte als nächstes zu tun sind, doch der Weg dorthin schien mir beispielsweise durch den variablen Zwei-Ebenen-Aufbau oder verschachtelte Raumanordnung nicht ganz klar. Das soll nun nicht heißen, dass die Level von WayForward schlecht gestaltet wurde, jedoch hätte das eigentlich auch schon zur Jahrtausendwende fest etablierte Hilfsmittel einer zumindest groben Karte spätestens im überarbeiteten wenn nicht gar im original GBA-Modus Übersicht schaffen und unnötig langes, frustrierendes Herumrennen vermeiden können. Zudem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Titel an einigen Stellen unter leichten Slowdowns leidet, was angesichts des recht gemächlichen Spieltempos jedoch keine sonderlich negativen Auswirkungen hat. Gleiches gilt im Übrigen auch für den durch die ursprüngliche Hardware vorgegebenen kleinen Bildausschnitt, schließlich gibt es praktisch nie hektische Situationen, die mehr Überblick erfordern würden. Vielmehr bietet  die Auflösung des Gameboy Advance der nostalgischen Grafik eine Leinwand, die unter Beweis stellt, dass jeder einzelne der knapp 38000 Bildpunkte mit bedacht gesetzt wurde und wichtig ist. Die farbenfrohe Optik ist jederzeit hervorragend identifizierbar und unabhängig davon, ob für ein altes System entworfen oder nicht, ein Paradebeispiel für gelungene Pixelart. Seit jeher kommt der Serie dabei das ausdrucksstarke und überzeugende Design der Figuren zugute. Gerade bei der Gegenüberstellung der hochauflösenden Charakteransichten und ihren pixeligen Pendants merkt man, wie gut die quirligen Essenz des Ensembles in die nicht ganz so kleinen, digitalen Quadrate übertragen wurden. Mit ihrer gefälligen, unbeschwerten Art, positivem Humor und der nicht ganz ernstzunehmenden Rivalität zu Risky Boots hätte sich Shantae auch hervorragend für eine Cartoon-Serie der 90er mit wöchentlich neuen Eskapaden geeignet. Daher ist es fast schon etwas schade, dass in Shantae Advance: Risky Revolution! die lilahäutige Freibeuterin trotz ihrer klaren Rolle als Bösewichtin etwa zu kurz kommt. Dafür wird neben einigen Bekannten wie Onkel Mimic oder dem Zombie-Mädchen Rottytops auch ein paar Neuzugängen eine entsprechende Bühne geboten. Trotz grafischer Aufbereitung in der 2025er Version kann man übrigens in deren Dialogsequenzen keine Bewegungsabläufe auf Zeichentrickniveau erwarten, sondern erblickt allenfalls leicht auf- und ab wippende oder blinzelnde Ansichten der Akteure, was aber eigentlich völlig ausreicht, zumal als Ersatz In-Game einige herzallerliebste Animationen zu finden sind, beispielsweise wenn ein Bart in einem Toaster stecken bleibt oder Shantae zu lange auf der Stelle verweilt und ihre Garderobe richtet. Etwas befremdlich sind dagegen die sporadisch genutzten Rotationseffekte, denn selbst im vermeintlich authentischen Gameboy-Modus scheint deren Berechnung in einer sehr viel höheren Auflösung zu erfolgen, was zu „schrägen“ Pixeln und einem leichten Bruch des Retro-Feelings führt.

Ob auch bei der Akustik ein wenig um die Fähigkeiten der Klapp-Konsole herum gearbeitet wurde vermag mein Ohr nicht festzustellen, der elektronische Soundtrack weiß aber zweifelsohne mit Abwechslungsreichtum und schmissigen Melodien zu gefallen. Vor orientalisch angehauchten Hauptthemen über funkige Musikstücke bis hin zu mysteriösen Klängen in Höhlen passt die Untermalung gut zu den Umgebungen und verbreitet einfach gute Laune. Da stört es dann auch nicht weiter, dass einige Motive aus anderen Shantae-Teilen bekannt erscheinen, schließlich bleibt ein guter Song ein guter Song.

Auch wenn Shantae Advance: Risky Revolution! nicht die neue Spitzenposition innerhalb der Reihe einnimmt (diese Ehre gebührt meiner Meinung nach noch immer Shantae and the Pirate’s Curse), ist der Titel doch ein würdiger Vertreter und zeigt, wie viel Sorgfalt WayForward bei der Eigenschöpfung walten lässt. Kurze Spielzeit und gelegentliche Unübersichtlichkeiten im Ablauf dämpfen den Spielspaß zwar etwas, allgemein zeigt das Spiel aber, wie gut sich ein über zwei Dekaden altes Konzept gehalten hat und ist alleine schon aus historischen Gründen als wieder auferstandene Retro-Veröffentlichung für eine der besten Konsolen aller Zeiten interessant.

Keine Kommentare mehr möglich