XBox Review: Halloween 1985 im Test (XBox One / XBox Series)

Scrolling ist für zweidimensionale Videospiele eine feine Sache, ermöglicht es doch zumindest theoretisch die sanfte, nahtlose Darstellung einer immensen Spielwelt. Und dennoch geht für mich vor allem von frühen Arcadetiteln ein besonderer Reiz aus, die das Spielgeschehen auf einen einzigen Bildschirm beschränken. Grade Platformer wie Nintendos Donkey Kong oder Data Easts Burgertime sind nach meinem Dafürhalten nahezu perfekt designte Spiele, deren Gameplay von jeglichem unnötigen Ballast befreit auf ihre Essenz reduziert wurde, so dass ihre Level ohne Komplexität zu vermissen vollumfänglich auf nur einem Monitor stattfinden können, wobei natürlich die Hardware-Limitationen ihrer Entstehungszeit ebenfalls einen Einfluss gehabt haben dürften.

Passend zur Alternativen Interpretation des Reformationstags hat mir Publisher EastAsiaSoft einen Code für die XBox-Version von Halloween 1985 zukommen lassen, das nicht etwa eine verschollene Episode von John Carpenters Horrorfilmreihe, sondern eine neue Interpretation der eben genannten Spielegattung ist. Als kürbisköpfiger Ladenbesitzer wird man in einem halben Dutzend verschiedener Abschnitte vor die Aufgabe gestellt, alle rübenförmigen Laternen durch Berührung wieder in Beschlag zu nehmen, die zuvor von einer illustren Auswahl an Monstern gestohlen wurden. Die Lampion können theoretisch in beliebiger Reihenfolge eingesammelt werden, Bonuspunkte gibt es jedoch nur, wenn der jeweils leuchtende aufgelesen wird. Damit ähnelt Halloween 1985 ein wenig Bomb Jack, ist jedoch mehr klassischer Platformer als Tehkans gleitender Bombenentschärfer. Denn der Protagonist mit dem Gemüseschädel hüpft wie einst Mario unter seinem Alias Jumpman über Plateaus, nutzt levelspezifische Besonderheiten wie Seilrutschen oder aufsteigende Ballons und versucht, Gefahren sowie Gruselgestalten möglichst aus dem Weg zu gehen, verfügt er doch über keine direkten Offensivfähigkeiten. Unter klassischen Spielhallentiteln ist mir keine unmittelbar vergleichbare Inspirationsquelle bekannt, allerdings hat der spanische Indie-Entwickler Locomalito 2019 mit Darkula einen kostenlosen Download für den PC veröffentlicht, der sich nicht nur sehr ähnlich spielt, sondern ebenfalls das Schauerszenario humorvoll aufgreift.

Als Besonderheit lassen sich aber Handlanger und vor allem die klassischen Schreckensgestalten wie Werwolf oder Horrorclown, denen jeweils einer der sechs Level gewidmet ist, mit Hilfe von Fallen zumindest für eine Weile aufhalten. In Dracula relativ einfach aufgebauten Spukhaus gibt es beispielsweise eine handvoll Vorhänge, die sich mit einem Sprung an die Zugkordel für einige Sekunden öffnen lassen. Wird der Fürst der Dunkelheit dreimal von den dort einfallenden Sonnenstrahlen getroffen, zieht er sich vorübergehend in seinen Sarg zurück, was einem nicht nur kurzzeitig Ruhe verschafft, sondern ebenfalls mit einem fetten Punktebonus belohnt wird.

Hier offenbaren sich jedoch schon die ersten Schwachstellen von Halloween 1985. Bis auf das vampirverseuchten Anwesen sind Auslöser und Effekt häufig räumlich stark voneinander getrennt, so dass sich in der bewusst erzeugten Unruhe kaum gezielte Aktionen starten lassen, sofern man nicht wie ein Chamäleon verschiedene Bereiche unabhängig voneinander im Auge behalten kann. Die trickreiche Vorrichtung in der Pyramide der Mumie besteht zum Beispiel aus einem Laufband am oberen Bildschrimrand, das per Druck auf die nur einmal nutzbaren Knöpfe Steinquader fallen lässt. Die Schalteraktivierung perfekt mit der Position des Baumaterials und des eingewickelten Untoten so zu koordinieren, so dass es hier zu einem Treffer kommt, grenzt vielmehr an puren Zufall, da man zeitgleich auch noch auf weitere Schergen achten muss. Insgesamt erachte ich den Schwierigkeitsgrad als recht hoch, da in Ermangelung effektiver Verteidigungen selbst die wenigen Gegner auf dem Schirm mit ihren verfolgenden Bewegungsmustern zur Bedrohung werden können. Die Hauptmonster setzen darüber hinaus zu besonders aggressiven Manövern an, sobald sie horizontal Blickkontakt herstellen und dann z.B. zum Ramm-Angriff übergehen, was in Kombination mit dem Umgebungsdesign mitunter dazu führt, das man unvermeidbar in eine Ecke gedrängt wird. Zum Glück lässt sich bis auf den finalen Kampf gegen Satan persönlich die Abfolge der restlichen Szenen frei anwählen, so dass man einzelne Passagen ein wenig trainieren kann. Die etwas steife Steuerung ist dabei zwar nicht unbedingt hinderlich, kann sich durch penibler Positionsabfrage beim Erklimmen von Sprossen andererseits nicht mit den leichtgängigen Bewegungen der besten Spielhallengeräte messen. Berücksichtigt man den automatentypischen unmittelbaren Tod nach nur einer Berührung und die unveränderliche Beschränkung auf zunächst 3 Leben, nimmt sich Halloween 1985 angesichts der damit verbundenen anfänglich unvermeidlichen zahlreichen Neuversuche bei Spiel- und Levelanfang außerdem mit Einleitung und Countdown für meinen Geschmack einen Bruchteil zu lange Zeit, bevor die actionreiche Hatz beginnt. 

Spielerisch ist Halloween 1985 somit ein recht schwerer neu ersonnener Arcadetitel, der zwar gelungen ist, aber nicht an die Klassiker der goldenen Ära heranreicht. Das ist durchaus schaden, da die restliche Präsentation angefangen bei Schriftart, Layout und Titelbildschirm überaus authentisch wirkt. Der virtuelle Monitor im 4:3 Format wird auf Wunsch von einem netten kleinen Anleitungs-Aufkleber gesäumt, wie man ihn auch auf einem entsprechenden historischen Gerät finden würde, und  flotte Chiptune-Musik passt zum hektischen Treiben. Die Jahreszahl 1985 dürfte wohl eher zur Feier eines fiktiven Jubiläums denn als vermeintlich realistisches Erscheinungsjahr gewählt worden zu sein, denn die niedliche Pixelgrafik erscheint mir fast zu gut für einen Zeitgenossen von Gun.smoke, Gauntlet oder Green Beret. Mit kräftigen Farben, ansprechenden Hintergrunddetails und knuffig animierten Knuddelmonstern hätte ich den Titel eher zwei, drei Jahre später verortet, unterlag die Spielebranche zu damaligen Zeiten doch großen technischen Sprüngen. Möglicherweise ist die Datumsangabe auch als Mittelwert zu betrachten, schließlich passt der einfache Ablauf dann wieder mehr zu den Anfängen der Achtziger. 

Daher ist es auch etwas schwierig, das Preis-Leistungs-Verhältnis vom Halloween 1985 zu bewerten. Zwar lassen sich auch ein noch schwererer sowie Zeitangriffs-Modus freischalten, im Kern ist die Highscore-Jagd aber eher auf sehr kurze und intensive Sitzungen denn auf eine längere Spieldauer ausgelegt. 5 Euro ist sicherlich selbst angesichts des minimalistischen Umfangs kein allzu hoher Preis, dennoch finden sich beispielsweise Capcoms Klassiker mit Zusatzfunktionen in den beiden Arcade Stadium Kollektionen für gerade einmal zwei Euro wieder, während das eingangs erwähnte Darkula gleich gratis ist. Dabei sollte man allerdings auch bedenken, dass es sich bei den Beispielen um Zweitverwertungen handel beziehungsweise kein kommerzieller Nutzen angestrebt wird.

Und somit wird der Spielhallengedanke vielleicht fast schon zu gut umgesetzt: Vor vierzig Jahren wäre Halloween 1985 ein amüsanter, simpler Zeitvertreib für einige Minuten gewesen, der sicherlich kurzfristig eine Reihe von enthusiastischen Fans gefunden und dennoch vermutlich nicht zu den kulturellen Meilensteinen aufgeschlossen hätte, die noch Jahrzehnte später als Paradebeispiele ihrer Gattung Erwähnung finden.

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